Wie schon im Fleischfresserei-Artikel kurz erwähnt, ist Natur kein Wesen mit Absichten oder Leidensfähigkeit. Sie ist ein Wort für einen Zustand ohne Kultur, also eigentlich für das, was physikalisch in DNA kodiert ist und ohne anders geartete generationsübergreifende Informationsweitergabe existiert. Es ist jedoch nicht nur dem Mensch, der Kultur hat, auch andere (vorallem Säuge-)Tiere sind dafür bekannt. Es werden Werkzeuge, deren Herstellung und Handhabung von den Vorfahren erlernt wird, benutzt, um die Umwelt den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Die Fähigkeit, Kultur zu bilden, ist also eine natürliche Eigenschaft vieler Lebewesen. So gesehen ist alles, auch alles, was Menschen tun, „natürlich“, egal wie hochtechnologisch es wirkt. Selbst synthetisch hergestellte Stoffe sind so also nicht „unnatürlich“, und das nicht nur weil Penicilline beispielsweise auch in Pilzen vorkommt (da wurde es sogar entdeckt) und ein Vorläufer von Aspirin, das Salicin, unter anderem in Silberweiden und Stiefmütterchen gefunden werden kann. Da diese Unterscheidung bei genauerer Betrachtung also ihre Schwammigkeit offenbart, ist sie offensichtlich nicht geeignet, um irgendwelche Entscheidungen auf ihrer Basis zu treffen. Dazu kommt, dass man sich von dem Gedanken, dass Natur „gut“ und alles andere eher „böse“ sei, verabschieden muss. Es gibt höchstens Dinge oder Zustände, die in bestimmten Situationen für bestimmte Lebewesen nützlich oder schädlich sind.
Allgemeingültige Wertungen werden da nur von uns selbst nachträglich reininterpretiert, sind aber nicht inhärent vorhanden. Warum also die Natur schützen? „Wenn wir die Meere industriell leergefischt haben, können sich vielleicht Quallen besser vermehren, ist doch schön für sie. Außerdem ist der letzte Hai vermutlich nicht trauriger wenn er stirbt als wenn es noch ganz viele seiner Art gäbe.“ Wenn Arten aussterben erfahren Individuen nicht mehr Leid als wenn die Art weiterexistiert.
Auch die Vereinfachung, dass Veränderung der Umwelt, die der Mensch verursacht, schlecht seien, und man einen gewissen Zustand erhalten müsse, greift nicht, denn Veränderung ist ein unvermeidlicher Teil des Ganzen. 99% aller Arten, die je auf der Erde gelebt haben, sind ausgestorben, und das war schon so, bevor der Mensch anfing, die Erde im großen Stil zu bevölkern. Außerdem ist ein „Es ist so / war schon immer so.“ sowieso noch lange kein „Es soll so sein.“ (vgl. Humes Gesetz).
Wenn wir also von Umweltschutz sprechen, geht es eigentlich um Selbstschutz (im Gegensatz zum Naturschutz, der auch Dinge schützen will, die für den Menschen nicht so relevant sind). Wir wollen eine Umweltsituation, die für uns (und vielleicht folgende Generationen) irgendwie nett ist. Ob frei lebende Geparden dafür nötig sind, muss jeder selbst entscheiden. Die Werte weisen wir also subjektiv zu. Ich persönlich finde z.B. die erwähnten Tierchen ja echt stylisch, vorallem wenn sie mit über 100 km/h durch die Gegend fetzen, und würde mir wünschen, dass sie das in Zukunft auch noch tun. Darüber, was besonders schützenswert ist, werden sich jedoch wohl nie alle einig sein. Selbst auf die Frage, wie wenig wir unsere Kosten auf zukünftige Generationen externalisieren dürfen („Sollen die sich doch um unseren Müll kümmern, wir verbuddeln ihn jetzt erstmal.“), gibt es keine eindeutige Antwort, auch wenn es gut möglich ist, dass unsere (Ur-)Enkelkinder uns später einmal ziemlich vorwurfsvoll angucken werden.
Man kann Dinge schützen, weil man sie schön, interessant, erforschenswert, praktisch, erholsam oder sonstwie schützenswert findet. Was nun letztendlich im großen Stil getan wird, kann nur im Konsens entschieden werden, wobei man sich natürlich (höhö) dann auch Gedanken machen muss, wie man Leute, die nicht intrinsisch motiviert sind, extrinsisch dazu bringen kann, mitzuziehen. Man kann beispielsweise jahrelang predigen, dass es doof ist, leere Cola-Dosen aus dem Auto zu werfen, jedoch die simple Einführung des Dosenpfands löst das Problem wesentlich effizienter, da nun einfach ein direkter Anreiz da ist. Und wenn man seine Dosen doch lieber in der Gegend liegen lässt, findet sich eventuell jemand, der sie beim zufälligen Vorbeigehen aufsammelt, weil er den Pfand kassieren möchte. Solche eleganten Lösungen, die menschliches Zufallsverhalten (zumindest teilweise) automatisch selbst ausgleichen, finde ich toll. 🙂
Archiv des Autors: Dobi
Fleischfresserei
Zum Nachdenken über das Thema durch eine Diskussion im Trickingforum (und immer mal wieder durch einen guten Freund) angeregt schreibe ich nun mal auf, was mir diesbezüglich so durch den Kopf geht.
Der Einfachheit halber, differenziere ich in diesem Artikel nicht zwischen den verschiedenen Derivaten des Vegetarismus (Pescetarismus usw.) sondern beschränke mich auf „alles“, „nur kein Fleisch“ (ovo-lacto-vegetarisch) und „gar keine Tierprodukte“ (vegan).
Wichtig finde ich, die Argumente einzeln zu betrachten und nicht unnötig zu vermischen. Gerade wenn man moralisch für etwas motiviert ist, kann es passieren, dass man in einigen eigentlich sachlichen Fragen sonst unsachlich wird. Unser frontaler Cortex verliert den Boxkampf (The thrilla adjacent to the amygdala) gegen das limbische System ja manchmal ganz gerne. 😉 Also, auf geht die wilde Fahrt.
Viele Menschen entscheiden sich für eine fleischlose Ernährung, weil sie ihrer Gesundheit etwas gutes tun wollen. Immerhin gibt es ja genug Studien, die eine starke Korrelation zwischen erhöhter Lebenerwartung, besseren Blutwerten und vegetarischer Ernährung zeigen. Das, was da gemessen wird, ist jedoch keine Kausalität. Um die zeigen zu können, müssten viele Leute randomisiert den Testgruppen zugeteilt werden (siehe Korrelation und Kausalität) und auch dann hätte man in dem Fall noch das Problem, dass die Leute ja wissen würden, in welcher Gruppe sie wären. Die genannte Korrelation kann also anders kausal bestehen. Vielleicht wird man ja nicht gesünder wenn man weniger Fleisch isst, sondern Leute, die auf ihre Gesundheit achten, werden im Schnitt öfter Vegetarier. Man würde also im Endeffekt gesundheitsbewusste Vegetarier mit auf-Gesundheit-scheissende Fleisch-Essern vergleichen. Wer dann hier gesundheitstechnisch besser abschneidet, ist kaum überraschend.
Fleisch, das man momentan so kaufen kann, ist oft mit Antibiotika belastet, und die Tiere haben aus wirtschaftlichen Gründen nicht wenige Wachstumshormone bekommen. Vermutlich wäre es besser für einen, wenn dies alles nicht der Fall wäre, jedoch sind das Eigenschaften der spezifischen Produkte und nicht von Fleisch generell als Nahrungsmittel.
Muskelheinis (Schnell-)Kraftsportler, von denen ich zufällig einige kenne, sagen hingegen gerne mal, dass sie ohne Fleisch ihre sportliche Leistung gar nicht erbringen könnten (Proteine, Vitaminkombination usw.) und argumentieren damit, dass ja fast alle Leute, die richtig stark/breit sind, Fleisch essen. Aber auch das ist wieder nur Korrelation und keine Kausalität. Zumindest aus meinem amateurhaften Wissen spricht nichts dafür, dass es ohne Fleisch physiologisch nicht genau so gut ginge (wenn man nur ein klein Bischen Ahnung von Ernährung hat). Ganz ohne Tierprodukte, also vegan, ist es schon etwas aufwendiger. Es fällt ja nicht nur der gute Magerquark als Proteinquelle weg. 😉 Da muss man dann halt schon etwas Ahnung haben und auf einige Sachen achten (biologische Wertigkeit durch Kombinieren von verschiedenen Aminosäureprofilen erhöhen usw.). Trophologische Argumente sind oft allerdings eh nicht die entscheidenden.
Schwerwiegender finde ich die ethischen Aspekte. Tiere, die wir so essen (nicht nur Säugetiere), sind Lebewesen mit komplexen Zentralnervensystemen, denen jeder, der sie kennt, auch soetwas wie Leidensfähigkeit attestieren würde. Wer das noch nicht getan hat, dem empfehle ich, sich mal ein paar „Schockerdokus“ anzugucken, in denen man einiges über die industrielle/intensive Tierhaltung lernt. Wenn Menschen Rechte haben, wieso sollten nichtmenschliche Tiere dann keine haben? – „Aber Menschen sind doch von Natur aus Omnivore und keine Herbivore. Guck mal, wir haben Eckzähne, unsere Vorfahren mit den Höhlenmalereien aßen auch Fleisch und andere Primaten tun es auch. Die Natur will es so.“ – Zunächst einmal will die Natur gar nichts. Die Natur ist kein denkendes Wesen. Natur ist nur ein Wort für einen angeborenen Zustand (also einen ohne Kultur), in dem sich Lebewesen zunächst befinden. Klar sind Menschen „von Natur aus“ keine reinen Pflanzenfresser. Das faktische sollte aber keine normative Kraft haben (hihi). „Natürlich“ ist auch, dass man ein Krüppel bleibt wenn man sich einmal das Bein bricht. Hier ruft jedoch kaum einer „So soll es dann halt sein.“, sondern ist froh, dass wir dank Kultur (in dem Fall Wissenschaft/Medizin/Technik) etwas dagegen unternehmen können. 😉 So, nun können wir unserem Mitleid für die Nutztiere (sofern wir denn welches aufbringen) freien Lauf lassen. Und dass man mit jedem Stück Fleisch, dass man kauft, den Hersteller und seine Methoden unterstützt, ist ja wohl jedem klar.
Die Erzeugung von Tierprodukten benötigt mehr Fläche und andere Rohstoffe pro hinterher für den Menschen konsumierbarer Kalorie als der Anbau pflanzlicher Nahrung. Durch den Umstieg auf diese würde es also in diesem (vereinfachten) Modell mehr Essen für jetzt noch hungernde Teile der Weltbevölkerung geben. Wie sich der komplexe Weltmarkt tatsächlich verhalten würde (sinkende Nachfrage -> niedrigere Preise -> neue Nachfrage anderswo?) ist jedoch schwer vorherzusagen. Solche Systeme sind oft recht chaotisch. Dazu kommt, dass nicht alle Flächen, die als Weide nutzbar sind, sich auch für den Ackerbau eignen. Vollständig ist diese Frage also leider nicht zu beantworten. Rein ökologisch kann man noch einwerfen, dass Kühe ziemlich viel Methan auspupsen, was zum Treibhauseffekt (Jaja, Hoax, ich weiß. ;)) beiträgt. Versuchen, sie deshalb alle aufzuessen, hilft dabei natürlich nicht, sondern erhöht den Zuchtbestand nur noch weiter.
Der letzte Aspekt, der vorallem für Leute, die Tierprodukte (insbesondere Fleisch) essen, ein wichtiger ist, ist der Genuss, auf den man eventuell nich verzichten möchte, auch wenn man Geschmack wie andere Gewohnheiten auch, durch Gewöhnung umlernen kann. Google einfach mal nach „veganische Rezepte“.
Alles in Allem spricht logisch gesehen eigentlich kaum etwas dafür, Fleisch zu essen, und vieles dagegen. Trotzdem bleibt das Ganze für die meisten eher eine Gefühlsentscheidung. Fleischfresser wie ich (Überraschung? ^^)) priorisieren ihren persönlichen Luxus einfach über den ethischen und ökologischen Argumenten. Moralgefühle sind nunmal nicht immer konsistent. (siehe lineare Moralregression) und durch unbewusste Verdrängung kann man sich wunderbar zufrieden asig verhalten. 😀 Ähnliches tun wir ja auch wenn wir mit dem Auto irgendwo hin rasen und somit schön dafür sorgen, dass weniger fossile Rohstoffe in der Erde und mehr Abgase in der Atmosphäre sind, oder wenn wir uns neue Klamotten kaufen, die von ausgebeuteten Kindern zusammengenäht wurden.
Dass ethisch motivierte Vegetarier/Veganer nicht noch wesentlich penetranter versuchen zu missionieren, finde ich übrigens bemerkenswert tolerant von ihnen. Immerhin tut man ja etwas, das gegen ihr Moralgefühl geht. Wenn mir jemand erzählen würde, dass er etwas tut, das gegen meins geht, wie z.B. dass er auf der Strasse gerne kleine Kinder anschreit, weil er Spaß dran hat, wie sie sich erschrecken und losheulen, würde ich vermutlich ziemlich energisch versuchen, ihn davon zu überzeugen, es sein zu lassen. 😉
Vielleicht haben wir ja aber auch Glück und können die Technik zur Herstellung von In-Vitro-Fleisch soweit verbessern, dass sich damit ein preiswerteres, gesünderes und umweltverträglicheres Produkt anböte. Dann würde es vermutlich auch nicht lange dauern, bis es sich durchgesetzt hat, und zumindest dieses Problem wäre zur Zufriedenheit aller gelöst. 🙂
Zwei Systeme und nur ein Kopf
Da wir eigentlich ja nur Linsensuppe in unseren Köpfen haben (siehe Neuronale Netze und das Leib-Seele-”Problem”), entspricht jede einfache Modellvorstellung über unsere mentalen Zustände natürlich nicht der biologischen Realität. Trotzdem finde ich manche Ansätze da recht nett, einfach um in der Praxis etwas zu haben, mit dem man forschen und sich im Alltag bewegen kann. Daniel Kahneman und Amos Tversky haben sich da etwas ganz nettes ausgedacht. Das Denken wird in zwei Systeme (1 und 2) unterteilt. Auch wenn es sich auf den ersten Blick vielleicht etwas wie das Freud’sche Es und Ich oder die bildhafte Funktionstrennung der zwei Gehirnhälften anhört, ist es doch anders.
- System 1 ist schnell, automatisch, intuitiv, implizit und unbewusst.
- System 2 ist langsam, abwägend, analytisch, bewusst und anstrengend.
Das meiste, was wir so tun oder entscheiden kommt von System 1. Es kann ganz tolle Dinge wahnsinnig schnell und sicher. Dinge, die man am Computer bisher so noch nicht in dieser Qualität und Effizienz implementieren konnte. Du brauchst dir nur kurz dieses Bild anschauen:
Auch ohne Sherlock Holmes zu sein, weißt du sofort, dass der Typ da das kleine Kind vermutlich sehr gerne mag, das Kind gerade von irgendwas abgelenkt ist, die Zunge rausstreckt usw. Über nichts davon musstest du nachdenken. Du wusstest es sofort. Dein System 1 hat Blickrichtungen, Gesichtsausdrücke usw. blitzschnell interpretiert und Schlüsse gezogen. Keine Software der Welt kann das so gut wie du.
Hier nun was für System 2:
Wahrscheinlich hast du gar keine Lust, das jetzt auszurechnen, denn es ist anstrengend. Wenn du es doch machst, erweitern sich deine Pupillen messbar bis du fertig bist. (238 ist übrigens das Ergebnis, du Fauli. :P) Hierbei wäre selbst jeder uralte Taschenrechner wesentlich schneller und zuverlässiger als du.
Wenn man übrigens den beiden Systemen einen MBTI zuordnen wollen würde, würde *NFP (zu 1) und *STJ (zu 2) vermutlich am ehesten passen.
So, System 1 ist toll, 2 stinkt ab. Es gibt aber auch außer langweiligem Kopfrechnen noch andere Dinge, die System 1 nicht so gut kann. Unvoreingenommen und objektiv urteilen ist eins davon. Es gibt eine Menge Schwächen, die in bestimmten Situationen zum Tragen kommen. Das Gemeine daran ist, dass wir sie gar nicht wahrnehmen, weil System 2 im Normalfall einfach schluckt, was es von System 1 so vorgesetzt bekommt. Wir identifizieren uns zwar immer mit unserem System 2, sind aber in Wahrheit viel viel mehr unser uns selbst fast unbekanntes System 1. Optische Illusionen kennen wir alle ein paar, wie beispielsweise die Müller-Lyer-Illusion:
Man meint, die untere Linie sei auch wenn man die komischen Enden weglässt eindeutig länger als die obere, ist sie aber nicht:
Wenn man diese Dinge kennt, fällt man nicht mehr drauf rein. Statt optischen Illusionen gibt es auch kognitive Illusionen (zum Teil auch Denkfallen genannt), in die unser System 1 kompromisslos reinlatscht, und das auch bei wichtigen Entscheidungen, die weitreichende Folgen für unser und das Leben anderer haben können. Deshalb denke ich, lohnt es sich, einige davon zu kennen. Das Ganze in der Hoffnung sie im richtigen Moment auch zu bemerken, und die Ergebnisse unter Benutzung von System 2 nochmal überdenken zu können. (Zumindest sollte man wissen, dass es sie gibt.)
Fangen wir mit etwas (emotional) einfachem an: Sagen wir, ich trainiere eine Basketballmannschaft. Einer der Spieler schießt schlecht Freiwürfe, weswegen ich sie nach dem normalen Training nochmal extra mit ihm übe.
Von den ersten 10 Würfen trifft er 8 Stück. Das finde ich gut, und lobe ihn dafür. Von den nächsten 10 versemmelt er 7, worauf ich ihn tadel. Danach sind es wieder ein paar mehr, usw. Ohne Nachzudenken könnte ich das Gefühl bekommen, dass er durch Lob beim nächsten mal schlechter wird und durch Tadel besser. Also lasse ich das Loben doch lieber ganz sein. Freiwürfe haben aber nunmal zusätzlich zum Können auch etwas mit Glück zu tun, wodurch es ganz normal ist, dass man mal mehr und mal weniger trifft. Nach einem besonders guten oder schlechten Ausreißer ist es normal, dass wieder zur Mitte hin regressiert wird. Das muss gar nicht unbedingt etwas mit dem Kommentar des Trainers zu tun haben. Wenn man eine Studie mit mehreren Spielern macht, könnte sogar dabei herauskommen, dass Zuckerbrot im Schnitt wesentlich besser funktioniert als Peitsche, und die kurzfristig subjektiv entstandene Trainer-Intuition, der sich auf Grund dieser schon nur aufs Meckern versteift hat, genau falsch war. Soetwas kann natürlich auch in anderen Situationen vorkommen, in denen der Zufallsfaktor nicht so offensichtlich ist. Erkennt ein Personalmanager, dass die Leistungen seiner Mitarbeiter unter anderem auch ganz natürlichen Zufallsschwankungen (auch von Projekt zu Projekt) unterliegen, oder kommt er eher zu dem Schluss, dass die Leute Lorbeeren nur benutzen, um sich darauf auszuruhen? (Es könnte tatsächlich so sein, es könnte aber genau wie beim Freiwurftraining Quatsch sein.)
Auch wenn man gar nicht selbst interagiert (in dem Fall lobt oder tadelt) gibt es lustige Effekte. Wenn ein Skisprung-Event zwei Tage geht und ein Springer am ersten Tag besonders gut war und am zweiten nur noch mittelmäßig neigen Reporter gerne zu Aussagen wie „Nach der Spitzenleistung war der Erwartungsdruck einfach zu hoch.“. Wenn jemand, der am ersten Tag besonders schlecht war am zweiten Tag besser war, heißt es „Jetzt konnte er ganz gelöst springen, er hatte ja nichts mehr zu verlieren.“. Dabei ist es in beiden Fällen wieder nur ganz banale Regression zur Mitte gewesen. Aber System 1 ist sehr gut darin, in allem irgendwelche Kausalzusammenhänge zu sehen, auch wo keine sind. Dazu kommt, dass es meistens auch nur einen Grund ausspuckt, anstatt die Komplexität der Sache zu erfassen wenn tatsächlich sehr viele Faktoren zusammenkommen (Fallacy of the single cause). Und hinterher sagt man dann gerne „Hab ich doch gleich gesagt.“ (hindsight bias) selbst wenn man es gar nicht wirklich hatte. Die Erinnerung spielt einem da einfach einen Streich, denn sie ist manchmal nicht sehr stabil. Ja, wir erinnern uns an Dinge, die gar nicht so waren!
Das Self-serving bias ist eine Eigenschaft von System 1, die einen dazu bringt, eigenes Scheitern eher auf äußere Umstände zu schieben und Erfolg eher auf innere Werte/Fähigkeiten. Börsianer sind darin besonders gut. Der Markt ist ziemlich effizient (Was es über ein Wertpapier zu wissen gibt, ist schon im Preis mit drin.) und die Erträge der Spekulanten sind genauso verteilt wie wenn man seine Aktien einfach zufällig auswählen würde (siehe Don’t Blink! The Hazards of Confidence). Im Prinzip wird da mit sehr hohen Beträgen nichtmal Poker sondern eher Roulette gespielt, und die, die bisher Glück hatten, werden für angebliche Fähigkeiten bewundert. (Wenn jemand beim Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spielen fünf mal hinter die sechs würfelt, würde einem doch auch kein „Boa, krass wie du’s drauf hast!“ entfleuchen. ;)). Aber dass die Börse chaotisch ist, will unser System 1 einfach nicht wahrhaben, und es wirft immer weiter mit Kausalerklärungen um sich. Beim Basketball macht man etwas ähnliches wenn man davon ausgeht, dass Spieler soetwas wie eine „heiße Hand“ haben wenn sie mehrmals hintereinander getroffen haben. Entgegen allgemeinem (Irr-)Glauben ist die Chance nach ein paar getroffenen Würfen wieder nicht daneben zu werfen statistisch nämlich nicht erhöht. Die Welt ergibt aber einfach viel weniger Sinn als wir denken. Ein großer Teil der Kohärenz entsteht erst (und nur) in unserem Kopf. 🙂
Dazu kommt, dass für solche Schlussfolgerungen von System 1 dann gerne auch nur noch die Tatsachen wahrgenommen werden, die sie bestätigen und die anderen ausgeblendet werden (confirmation bias). Beispielsweise wenn wir uns einbilden, dass eine Ampel immer rot wird wenn wir gerade mit dem Auto dahinkommen, oder dass unsere Supermarktkassenschlange immer die langsamste ist, machen wir das. System 1 hat es mit statistischem Denken (siehe Basketballtrainer/Personalchef) nicht so wirklich und produziert Erklärungen zwar wie irre, trifft die Wahrheit aber manchmal ähnlich präzise wie ein Besoffener beim Pinkeln das Klo. 😉
Wohin es trifft, kann dazu auch noch geprimed sein. Anchoring ist nur eins von vielen witzigen Beispielen dazu. Kognitions-Psychologen haben um das zu Testen Leute befragt, was die schätzen wieviel Prozent der Staaten in Afrika Mitglied der vereinten Nationen sind. Bevor die Leute diese Schätzung abgeben sollten, wurde ein Glücksrad mit Zahlen drauf gedreht, was so manipuliert war, dass es entweder bei den Zahlen 10 oder bei 65 stehen bliebt. Obwohl die Versuchsteilnehmen natürlich wussten, dass das Rad nichts mit der Frage zu tun hat, hat die 10er-Gruppe im Schnitt 25% geschätzt und die 65er-Gruppe 45%. Total banale Einflüsse können das Ergebnis also stark verändern. (Bei Verkaufsverhandlungen versuchen wir übrigens oft unser Gegenüber an irgendeine Zahl zu ankern.)
Aber auch Verhaltensentscheiden, die wir unseren innersten stabilsten Werten zuschreiben können sich durch Nichtigkeiten ändern. In einer Studie (vor der Zeit der Mobiltelefone) ließ ein Schauspieler vor einer Telefonzelle sein Zeug fallen, als der Benutzer eben dieser gerade heraus kam. Es wurde gemessen wie hoch der Anteil der Leute, die beim Aufheben geholfen haben, unter den Telefonierern war. Nur einer von 25 Leuten half. Wurde jedoch vorher ein 10-cent-Stück auf dem Telefon platziert, was die Testperson dann dort fand (und sich vermutlich drüber freute) wurde in 14 von 16 Fällen geholfen. (Do We Really Have Any Character Traits?)
Zumindest bei einem für einen selbst unschönen Ergebnis schützt das Self-serving bias ist einen ja noch ein Bischen, aber wenn es um das Beurteilen des Verhaltens andere Leute geht, machen wir den Fundamental attribution error häufig. Wer intuitiv verstanden hat, dass die echten Erklärungen oft weniger intern, stabil und global und dafür mehr extern, instabil und lokal sind (siehe Explanatory style), hat schon einen großen Vorteil, weil er nicht nur über andere weniger schnell urteilt sondern auch selbst weniger depressionsgefährdet ist. Es scheint übrigens so zu sein, dass dieser Fehler in westlichen Kulturen öfter begangen wird als in asiatischen. Vielleicht liegt das ja ab der hier verbreiteten albernen Vorstellung von Gut und Böse.
Ein weitere Eigenschaft von System 1, die es zu kennen lohnt, ist die, dass es schwer zu beantwortende Fragen intern gerne durch leichter zu beantwortende ersetzt werden, und die Antwort zu diesen dann als angebliche Antwort auf die eigentlichen Fragen präsentiert werden (Attribute substitution). Wenn wir beispielsweise nach zwei Vorstellungsgesprächen beurteilen wollen, welcher der beiden Ingenieure, die sich beworben haben, wohl der bessere System-Entwickler ist, was schwer zu entscheiden ist. Aber hey, wir wissen doch, welchen von beiden wir netter finden, also tun wir doch einfach so, als wär‘ der besser. (Hier kommt die substitution mit dem zusammen Halo-Effekt.)
Das Availability Bias ist eine weitere nette Heuristik, die System 1 gerne anwendet, besonders wenn wir Risiken einschätzen wollen. Der Wahrscheinlichkeit an einer Krankheit oder durch einen Autounfall zu sterben ist weeeesentlich höher als die, durch einen Flugzeugabsturz oder einen Terroranschlag ums Leben zu kommen. Trotzdem sind die beiden letztgenannten Szenarien in den Medien wesentlich präsenter, was dazu führt, dass diese Gefahren extrem überbewertet werden. Das Problem ist, dass System 1 sehr schlecht aus Statistiken lernt und wesentlich mehr aus anschaulichen Einzelfällen, auch wenn diese eigentlich irrelevant sind. Wenn du mit deinem letzten Fernseher der Firma Blony „nichts als Probleme“ hattest, würde eine Statistik, die eindeutig zeigt, dass Geräte dieser Marke am zuverlässigstens sind, dich dazu bringen, dass dein nächster wieder ein Blony ist?
Als weiteres und (endlich ;)) letztes Highlight der System-1-Spezialitäten hätte ich nun noch die Conjunction fallacy zu bieten. Meine Version vom Linda-Problem sieht wie folgt aus:
Es gibt einen Tobias (über den du bisher noch gar nichts weißt), der als Schüler und Student immer sehr gerne viel Sport gemacht hat und mehr trainiert als gelernt hat. Nun ist er 30 Jahre alt. Welche dieser beiden Aussagen über Tobias hälst du für wahrscheinlicher:
- A) Tobias arbeitet als Software-Entwickler.
- B) Tobias arbeitet als Sofware-Entwickler und hängt mehrmals die Woche in Sporthallen rum und tobt sich dort aus.
Wenn du jetzt B sagst, hast du den gleichen Fehler gemacht, wie die Mehrzahl der Leute in der Originalstudie. SW-Entwickler, die in Sporthallen rumgammeln sind eine Untermenge aller Software-Entwickler. Aussage B kann also nicht wahrscheinlicher sein als A, was man an folgendem Euler-Diagramm gut sieht:
System 1 ist nicht nur manchmal schlecht in Statistik sondern auch im Beurteilen von Wahrscheinlichkeiten und im Anwenden von einfachster Logik. Entscheidender ist, wie schön passend sich die Geschichte anhört (cognitive ease).
Malcom Gladwell sagt uns zwar, dass wir uns auf unsere erste Eingebung verlassen sollen, was auch oft richtig ist. Ich sage jedoch, dass wir sie zwar nutzen sollen (was ich als INTJ sowieso oft tue), es aber auch gut ist, zu wissen, dass man in nicht wenigen Situationen besser dran ist, wenn man sein System 2 benutzt, um seine Intuition aus System 1 kritisch zu hinterfragen. 🙂 Vielleicht kann man System 1 ja auch bewusst etwas darauf hintrainieren, noch bessere Intuitionen zu entwickeln, denn gerade wenn System 2 schon mit etwas anderem beschäftigt ist, will man ja nicht ungesichert ausgeliefert sein. 😉
Das Schalten beim Autofahren musste man in der Fahrschule ja auch noch bewusst machen und nun geht es wie von selbst. Und wieso sollte das nur mit Koordinationskram funktionieren? 🙂
Wenn du jetzt Spaß an sowas gefunden hast und gerne noch mehr solcher Voreingenommenheiten und Fallen kennenlernen willst, schau doch einfach mal bei Wikipedia rein: http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_fallacies, http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_cognitive_biases
Achja, die Prospect Theory (incl. Loss aversion, Endowment-Effekt, Mental accounting, usw.) finde ich ebenfalls recht amüsant, weil sie zeigt, inwiefern das das klassische rationale Verhaltensmodell der Wirtschaftswissenschaft nicht hinhaut. Aber drüber hier zu schreiben würde den Rahmen sprengen, also sieh und lies selbst. 😉
Nachtrag (27.11.2012): Es scheint so, dass einige der kognitiven Verzerrungen stark reduziert werden, wenn man über die Fragen, bei denen sie auftreten, in einer Fremdsprache (die man gut beherrscht) nachdenkt. Koreaner entscheiden beispielsweise rationaler bei Problemen, die in Englisch formuliert sind, Engländer bei Französischen vorgetragenen Fragen. Hier gibt es noch einiges zu erforschen mit eventuell interessanten Implikationen, die wir vielleicht sogar in unseren Alltag einfließen lassen könnten. 🙂
Urheberrecht, freie Software, Patente, Arbeitslosenquote und andere Utopie
Dieses mal geht es gleich um mehrere Themen, die ich dazu auch noch recht subjektiv (also ganz anders als sonst ;)) behandeln werde.
Gestern beim Training hat mein Kumpel Eugen gejammert, weil er meinen Brüllaffen-Sampler nicht bei YouTube gucken konnte. (Dafür gibt’s ihn hier zum Herunterladen. :-P) Ich hab‘ anscheinend nicht das Recht, ein Dittel eines Liedes, das mir gefällt, als Hintergrundmusik für mein nicht kommerzielles Tricking-Video auf YouTube zu benutzen. -_-
Die jetzige Form des Urheberrechts (*brech*) und die GEMA (Wem außer sich selbst nützt sie überhaupt noch?) sind ja angeblich so super wichtig, damit man als Kulturschaffender (Musiker, Autor, sonstiger Künstler) nicht seines geistigen Eigentums (Was soll das denn bitte für ein Quatsch sein?) beraubt (Mal abgesehen von der fehlenden Androhung oder Ausübung von Gewalt: Ist es danach beim „Beraubten“ nicht mehr vorhanden?) wird. (Alles, was ich hier als Blog-Autor schreibe, darfst du übrigens weitergeben, abändern oder sonstwie verwenden. Ich fänd’s nur nett, wenn du irgendwo dazu schreibst, dass du von mir inspiriert wurdest. ;-))
Wenn man irgendetwas kommerzielles, wie z.B. eine kleine Filmproduktion, machen will, scheint es ganz übel sein zu können (hab‘ ich gehört). Man muss aufpassen, dass im Hintergrund kein Radio läuft, kein Handy mit einen geschützten Klingelton runterbimmelt oder ein gecopyrightetes Bild an der Wand hängt.
Ich versteh‘ das Ganze einfach nicht wirklich. Wenn ich mir ein Lied aus dem Internet herunterlade, ist das kein Stehlen, sondern nur eine Urheberrechtsverletzung, und von diesem „Recht“ bin ich aus folgenden Gründen kein Fan:
- In Zeiten des Internets ist es einfach anachronistisch. Informationen (Daten) können nunmal jetzt extrem leicht und schnell vervielfältigt und an andere weitergegeben werden. Man teilt gerne mit Freunden. Ich finde das schön. 🙂
- Musiker beispielsweise konnten auch schon lange bevor es Tonträger gab, die man hätte verkaufen können, von ihrer Leidenschaft leben.
Mir würde eine andere Form von Urheberrecht, eine, die das private Kopieren entkriminalisiert, und es überflüssig macht, jemanden mit DRM auf die Neven zu fallen, besser gefallen. Vielleich ja soetwas wie eine Kulturflatrate. (Bezahlt man sowas ähnlichen nicht sowieso schon mit den ganzen Abgaben auf Festplatten, USB-Stick usw.? *g*) Es könnte eventuell sogar jeder seinen Beitrag selbst auf die von ihm bevorzugten Künstler aufteilen, so wie es der Chaos Computer Club vorschlägt.
Oder es sucht sich jeder einfach ganz aus, ob und wieviel er wem geben möchte. Überraschenderweise scheint das teilweise sogar recht gut zu funktionieren (link). 🙂
Ein anderes aber möglicherweise irgendwie verwandtes Thema sind Softwarepatente. Auch hier direkt: Die finde ich doof. 😉
John Carmack (ein bekannter Softwareentwickler) hat es mal schön formuliert:
The idea that I can be presented with a problem, set out to logically solve it with the tools at hand, and wind up with a program that could not be legally used because someone else followed the same logical steps some years ago and filed for a patent on it is horrifying.
Und das passt meiner Meinung nach wirklich ganz gut. Softwarepatente sind teilweise wirklich sehr absurd (siehe hier und hier). Als man sich dieses Verfahren vor ewigen Zeiten für mechanische Erfindungen ausgedacht hat, mag das ja irgendwie sinnvoll gewesen sein, nun kommt es mir aber eher so vor als ob Bach sich irgendeine Schlusskadenz patentieren ließ und fortan jeder, der auf die gleiche musikalische Idee kommt, gearscht ist.
Und selbst wenn man eine Idee bewusst übernimmt; Kultur basiert darauf, dass Ideen von verschiedenen Leuten weiterentwickelt werden. Alles baut aufeinander auf. Auch das größte Genie ist nur ein Zwerck auf den Schultern der Riesen.
Igor Strawinski meinte mal:
A good composer does not imitate; he steals.
Dass Software nicht nur patentfrei sondern sogar komplett frei (frei wie in Freiheit, nicht wie in Freibier) sein kann, zeigen viele erfolgreiche Projekte, die unter der GNU GPL oder einer ähnlichen Lizenz stehen. Diese Programme sind oft auch kostenlos (nun doch frei wie in Freibier) erhältlich; sie dürfen und sollen weitergegeben und verändert/verbessert werden. Der Quelltext ist frei zugänglich (open source). Das ist unter anderem toll, weil er so von vielen Leuten auf Fehler überprüft werden kann. Gerade wenn es um Sicherheit geht wirkt das auf mich wesentlich vertrauenderweckender als Sicherheit durch Unklarheit. Die beteiligten Entwickler sind teilweise oft auf freiwilliger Basis dabei. (Wikipedia basiert übrigens auf dem gleichen Prinzip.) Dieses Modell funktioniert überraschend gut; die resultierende Qualität der Software ist meist sehr hoch. Vielleicht liest du meinen Blog (benutzt WordPress, GPL) ja gerade sogar in einem freien Browser wie Firefox (MPL/GPL/LGPL) oder Chrome (BSD-Lizenz). Der hostende Server benutzt vermutlich Apache (Apache License) unter Linux (GPL) oder Unix (CCDL). All das ist frei. =) Ein weiterer Vorteil von freier gegenüber proprietärer Software ist der, dass man sich nicht von einem Hersteller abhängig macht. Closed source software benutzt gerne Datenformate ohne offene Spezifikation. Aber nicht nur das. Wenn der Hersteller einer solchen Software pleite geht (oder einfach mehr keine Lust auf das Produkt hat), ist es aus mit Support. Eventuell hat man seine IT-Infrastruktur aber schon davon abhängig gemacht. Nun wird es teuer (nicht nur in Sachen Geld, sondern auch bezüglich des Arbeitsaufwands). Man muss halt irgendwie aus dem untergehenden proprieätren Käfig herauskommen. Freie Software könnte man immer selbst an seine neuen Bedürfnisse anpassen bzw. von einem Entwickler anpassen lassen. Aus all diesen Gründen bin ich dafür, dass in öffentlichen Einrichtungen wenn möglich freie Software eingesetzt wird.
Der gute alte Linus hat mal gesagt:
Software is like sex; it’s better when it’s free.
So, als Überleitung zum nächsten Teil muss ich gerade nochmal zurück zum Thema Musikkopieren und co.
Dieser mythische Jesus, der wohl die Ausgeburt des Guten sein sollte, hat der Legende nach 5000 Leute mit nur einem Brot satt gemacht. Dieser fiese Brotkopierer! Wenn man das ständig so machen würde, würden doch fast alle Bäcker (in der Analogie: Angestellte der Musikindustrie) arbeitslos werden!
Tjoa, so ist das nunmal mit fortschreitender Technik. Ganz früher war eigentlich jeder damit beschäftigt, durch Jagen und später durch manuellen Ackerbau dafür, dass er genug zu Essen hatte, zu sorgen. Als man dann auf die Idee kam, Ochsen vor den Pflug zu spannen, konnte man mit weniger menschlicher Arbeitskraft mehr Nahrung produzieren. Mit moderner Agrartechnik geht das noch viel effizienter. Eigentlich ist es doch schön wenn weniger Leute dafür, dass für alle genug Güter produziert werden, ackern (höhö) müssen. So gesehen stellt dich die Frage, ob es vielleicht nicht sogar ein positives Zeichen ist, wenn nicht mehr so viele Menschen arbeiten gehen müssen. Vielleicht hören wir ja irgendwann auf, Bullshit-Jobs zu produzieren, und es wird dann so sein, dass Leute nur noch das tun, was ihnen Spaß macht. Musiker, Dichter, Frisöre (und was man sonst alles auch nicht von Maschinen/Robotern/Computern machen lassen kann oder will) wären dann bestimmt immernoch ein paar dabei. Ich würde vermutlich auch noch weiterhin programmieren wollen. 🙂
Realismus und evolutionäre Stabilität hin oder her – man darf ja mal Träumen. Gerade scheint mir die Abendsonne beim Schreiben nämlich so schön auf den Bauch. ^_^
PS: Ich werde mich bemühen, demnächst nochmal etwas tiefsinniger und objektiver zu schreiben. 😉
Aufgeschlossenheit
„Sei doch nicht so engstirnig. Es gibt viele Dinge zwischen Himmel und Erde, die du nicht verstehst. Sei denen gegenüber doch mal aufgeschlossen.“
So oder so ähnlich könnte es sich anhören, was ein wissenschaftlich denkender Mensch von einem Anhänger einer Religion, Horoskopen, Homöopathie oder ähnlichem gesagt bekommt. Mal abgesehen davon, dass man Wissenschaft betreibt, gerade weil man noch lange nicht alles weiß und sich mit jeder Antwort oft doppelt so viele neue Fragen ergeben, scheint hier eine andere (mir unbegreifliche) Vorstellung von Aufgeschlossenheit vorzuliegen. 😉
Bei der wissenschaftlichen Methode passt man seine Überzeugungen den Ergebnissen, die die experimentelle Überprüfung der eigenen Theorien in der Realität zeigt, an; auch wenn das bedeutet, einzusehen, dass man vorher auf dem Holzweg war, oder man einen anderen Ausgang aus sonstigen Gründen eventuell irgendwie lieber gehabt hätte. Gerade in Wissenschaften, die in der Emergenz-Hierarchie ziemlich weit „links“ liegen (Medizin und so), ist das öfter mal der Fall, da sich die Empirie hier manchmal recht schwierig gestalten kann. Dinge wie Newtons Gravitationstheorie oder andere physikalischen Gesetze hingegen sind schon so oft überprüft worden und haben erfolgreich Anwendung in der Technik gefunden, dass es sehr extrem unwahrscheinlich ist, dass sie irgendwann widerlegt werden. Einsteins allgemeine Relativitätstheorie beispielsweise widerlegt Newton nicht, sondern erweitert ihn und zeigt, dass er ein Spezialfall eines allgemeineren Zusammenhangs ist.
„Aber früher haben auch die schlausten Leute gedacht, dass die Erde flach ist, also kann jetzt auch alles, was ihr denkt, falsch sein.“
(Mal abgesehen davon, dass die moderne Annahme, dass insbesondere die mittelalterliche Christenheit an eine Erdscheibe geglaubt habe, irrig ist:) Klar kann es das. Wir machen uns ja nur Modellvorstellungen, um unsere Beobachtungen zu erklären. Zu der Zeit, auf die sich eben bezogen wurde, gab es noch gar keine Ansprüche auf Überprüfbarkeit. Mit (moderner) Wissenschaft hätte das also nichts zu tun gehabt.
Religion, Astrologie, Alternativmedizin* usw. funktionieren wie ich das mitbekomme so, dass man zunächst an etwas glaubt, und das dann endweder gar nicht auf Wahrheit hin überprüft, Widersprüche und gescheiterte Experimente ignoriert, und wenn überhaupt nur die Fakten sieht, die einem in den Kram passen (und dabei auf Signifikanz scheißt). Für mich ist das das Gegenteil von Aufgeschlossenheit. 🙂
Also, sei doch mal aufgeschlossen dafür, dass dein Bewusstsein eventuell nichts transzendentes sein könnte, Arnica C30 dir nur durch den Placeboeffekt geholfen hat und du dein Horoskop auch auswürfeln kannst. Umgekehrt ist es die Wissenschaft ja auch. (Die meisten Chemiker würden sich forschungsmäßig sofort auf die Globuli stürzen, um herauszufinden, wie sie trotz nicht vorhandenem Wirkstoff besser funktionieren als ein genauso verabreichtes Pacebo, wenn sich im Versuch denn mal was anderes zeigen würde, als dass sie das nicht tun.) Bisher war es jedoch noch am Schluss jeder Scooby-Doo-Folge so, dass das vermeintlich übernatürliche Gespenst nach der Demaskierung seine wahre (natürliche) Herkunft gezeigt hat. 😉
Wenn du jemanden triffst, der sich zwar Wissenschaftler nennt, jedoch neuen Erkenntnissen gegenüber nicht aufgeschlossen ist, ist das kein Fehler in der wissenschaftlichen Methode, sondern einer, den dieser Mensch macht. Porsches sind ja auch nicht kacke, nur weil du ein Arschloch kennst, dass einen fährt. Don’t hate the Game. Hate the Player. ^_-
*Weißt du, wie man Alternativmedizin, von der gezeigt wurde, dass sie funktioniert, nennt? – Medizin. 🙂
Mathematik: Entdeckung oder Erfindung?
Mathematik ist zwar unter anderem eine wichtige Sprache für Formulierungen innerhalb der (Natur-)Wissenschaften, als solche selbst jedoch eine Strukturwissenschaft. Es werden also scheinbar keine Theorien mit konkreten Vorhersagen über die Wirklichkeit aufgestellt, die man dann versucht experimentell zu widerlegen und als wahrscheinlich richtig ansieht wenn die Widerlegung immer scheitert (die Vorhersagen also stimmen), stattdessen werden aus wenigen grundlegenden Axiomen logische Schlüsse gezogen, die sich innerhalb dieses Sytems tatsächlich beweisen (nicht nur nicht widerlegen) lassen und damit dort dann wahr sind.
Somit drängt sich die Frage (die ich schon hier gestellt habe) auf, ob die Mathematik eine Erfindung von uns Menschen oder eine dem Universum inhärente Wahrheit ist, die wir (und zumindest implizit auch andere Lebewesen) entdecken.
Im Grunde geht es bei dieser Frage um die Axiome, aus denen der Rest hergeleitet wird, wie z.B. „Jede natürliche Zahl n hat genau einen Nachfolger n‘.“ aus der Peano-Arithmetik. Wenn man solche Dinge aus in uns intuitiv vorhandenen Regeln der Mengenlehre extrahiert, reduziert sich das Problem darauf, wo diese Intuition herkommt. Aber zunächst einmal: Wie sieht sie aus? Unser physikalisches Universum scheint (zumindest auf makroskopischer Ebene) die Eigenschaft zu haben, diskrete Objekte beinhalten zu können. Wenn alles einfach nur Suppe wäre, würden wir vermutlich (zumindest wenn wir als Grundannahme setzen, dass wir tatsächlich existieren und unsere Sinne zumindest manchmal sinnvolle Daten liefern, ansonsten sind wir eh einfach nur raus) nicht die Vorstellung von einzelnen (zusammenzählbaren usw.) Objekten entwickeln.
Aus diesen Mengen ergibt sich dann, was wir mit ihnen tun können:
usw. mit den anderen Operationen, die auch andere Sachen machen, als mit der Mächtigkeit von Listen zu operieren. (Mehr dazu hier: http://www.youtube.com/watch?v=14JavH4Rk7k#t=8m20s) Der schlaue David sagt übrigens, dass sich aus der rekursiven Definition der Addition (a+0 = a, a + b‘ = (a+b)‘), ergibt, dass das n‘ von oben (also der Nachfolger von n) dann n+1 ist. 😉
Wenn wir mathematisch rumhantieren, vergessen wir nur gerne mal, dass all diese Grundvorstellungen in den verschiedendsten Kulturen von Generation zu Generation gleichermaßen entstehen (es wäre mal witzig, zu erfahren, ob Außerirdische auf die gleichen Dinge kämen), weil sie einfach jeder persönlich täglich empirisch implizit anwendet und somit quasi ständig überprüft. Wenn zwei Äpfel und drei Bananen nicht immer sondern nur manchmal fünf Öbste ergeben würden, sollte das doch irgendwann mal auffallen, oder? 😉 Im Prinzip ist Addition also eine Theorie über das Verhalten der Natur.
Logik, die wir benutzen, um aus solchen Grundlagen komplexere mathematische Sätze herzuleiten, ist ebenfalls kein rein theoretisches Konstrukt sondern aus ganz praktischer physikalischer Erfahrung gewachsen.
„Wenn ich in den Pool springe (A), werde ich nass (B).“ ist eine logische Implikation. (A -> B, Dass ich in den Pool springe, ist also eine hinreichende (aber nicht notwendige) Bedingung dafür, dass ich nass werde.) Mit anderen Verknüpfungen der Aussagenlogik verhält es sich ähnlich. Sie sind Abstraktionen alltäglich erlebbarer physischer Phänomene.
Somit sind die Grundlagen wie auch das Werkzeug, mit dem man aus ihnen komplexere Sachen herleitet, empirisch begründete Vorstellungen davon, wie unser Universum so zu funktionieren scheint. Die daraus ziehbaren mathematischen Schlüsse funktionieren ebenfalls prima, um überprüfbare Naturgesetze zu formulieren. Wenn das nicht klappen würde, könnte ich das hier in dieser Form nicht schreiben, weil es gar nicht möglich wäre, Computer zu konstruieren. Alles, was du gerade um dich herum siehst, funktioniert übrigens ziemlicher sicher nur, weil die Naturgesetze immer und überall zuverlässig greifen, und der ganze Technik-Schnickschnack nur, weil irgendwer sie herausgefunden/verstanden hatte, und mit diesem Wissen den Ingenieuren erst die Möglichkeit gab, sinnvolle Sachen zu bauen. 🙂
Momentan denke ich also, dass wir es bei Mathematik und Logik in dem Maße mit Entdeckungen zu tun haben, wie das bei den Naturgesetzen auch der Fall ist. (Klar, man kann sagen, dass die Modellvorstellungen/Theorien, die man sich von irgendwelchen Phänomenen macht, erfunden sind, um diese zu erklären, aber du weißt vermutlich hoffentlich, was ich meine. ;)). Die tatsächlich bewiesene Richtigkeit eines Satzes innerhalb eines strukturwissenschaftlichen Systems ist unabhängig von dessen Ursprüngen trotzdem absolut wahr (und nicht nur wahrscheinlich nicht falsch), weil es dabei dann nur noch um die Konsistenz innerhalb dieses Systems geht. Grundlegende Entdeckungen können dann einen Kreislauf von Erfindung und Entdeckung anstoßen.
Warum unser Universum allerdings so mathematisch drauf ist, ist wieder eine andere Frage. Wenn es launischer wäre könnten wir jedoch vermutlich auch kaum solche komischen Fragen stellen. Oh, ist das Universum eigentlich ein INTJ? Informationen über sein inneres muss man ihm aufwendig aus der Nase ziehen (Introvertiert), es basiert auf wenigen abstrakten Prinzipien (iNtuitiv), es ist logisch (Thinking), und funktioniert zuverlässig (Judging). 😉
Natürlich beißt sich die Katze irgendwo selbst in den Schwanz wenn man Logik benutzt, um über die Wahrheit der Logik nachzudenken, allerdings funktioniert sie ja bekanntlich recht gut, was wir ja wissen, weil wir es empirisch (und damit logisch) überprüft haben. Oh, verdammt! 😀
Für mich fühlt sich dieser ganze Rekonstruktions-Kram nach der Postmodernen, irgendwie so an wie nach ’nem Sturm, der alles weggefegt hat, aus seinem Loch zu kommen und zu gucken, was übrig gelassen wurde und ob man mit dem, was man von früher kennt, irgendwas neues schönes bauen könnte. 😉
Persönlichkeitstypologie, MBTI und „Alle anderen sind doof.“
Schon seit sehr vielen Generationen machen sich einige Menschen darüber Gedanken, wie sie die verschiedenen Charaktere ihrer Mitmenschen kategorisieren könnten. Die grundsätzliche Schwierigkeit dabei ist natürlich, dass sich so etwas komplexes wie eine ganze Persönlichkeit kaum mit einer von ein paar Schubladen auch nur annähernd vollständig beschreiben lässt. Dennnoch gibt es einige Hinweise, dass nicht alles, was man in diese Richtung tut, total nutzlos ist. Dazu später jedoch mehr.
Von den verschiedenen Typologien, die ich bisher gesehen habe, gefallen mir der Myers-Briggs-Typindikator (MBTI) bzw. der diesem ziemlich ähnlichen Keirsey Temperament Sorter zusammen mit den Big Five, um die es hier aber nicht geht, am Besten. Hierbei handelt es sich um einen 4-dimensionalen Beschreibungsraum, bei dem der Einfachheit halber jede Dimension binarisiert wird.
Ob Menschen eher immer zu einer der beiden entsprechenden Seiten neigen oder eher in der Mitte sind, lässt sich schwer sagen, da es für solche psyschichen Größen keine wirkliche Maßeinheit (im Gegensatz zu beispielsweise Körpergröße in Metern) gibt, und die Skala somit durch das Test- und Bewertungssystem einigermaßen beliebig festgelegt werden kann. Durch die Abbildungsfunktion „Antworten->Zahl“ kann man natürlich eine Normalverteilung oder eine Cauchy-Verteilung erzeugen, eine Gleichverteilung oder etwas bimodales bekommt man jedoch genauso gut hin. (Die Antworten sind ja keine stochastisch unabhängigen Zufallsvariablen.) Der IQ beispielsweise (auch wenn er nichts mit dem MBTI) zu tun hat, ist nur gauß-verteilt, weil er im Vorhinein so festgelegt wird. Die Tests werden so normiert, dass die Mitte bei 100 liegt, und x Prozent der Menschen zwischen 70 und 130 sind. Die sich ergebende Kurve ist also mehr Konvention als absolute Wahrheit. Einige Ansätze (bezogen auch auf den MBTI) gibt es aber natürlich trotzdem. (Gibt es Typen?, Bimodal score distributions and the MBTI: Fact or artifact?, Item response theory) Psychometrie ist halt fies. 😉
Naja, wie auch immer, im Endeffekt gibt es also 4 Kategorien, in denen man jeweils einen von zwei Buchstaben zugeordnet bekommt, wobei es kein „besser“ oder „schlechter“ gibt. Darüber, wie viel Vererbung, Erziehung oder Peergroups ausmachen, oder wie sehr sich sowas im Laufe des Lebens verändert, sind mir bisher leider keine Statistiken bekannt. Aber nun zu den Dimensionen:
- I(ntrovertiert) <-> E(xtravertiert): Diese Unterscheidung ist ja recht geläufig. Manche Menschen mögen viele Sozialkontakte und schöpfen daraus Energie, andere hingegen tanken auf wenn sie für sich sind.
- (I)N(tuitiv) <-> S(ensorisch): Diesen Unterschied finde ich persönlich am interessantesten, weil er nicht so direkt sichtbar ist, jedoch viel ausmacht und zu lustigen Konflikten (auch im Beruf) führen kann. Intuitive Menschen achten viel auf (teilweise abstrakte) Zusammenhänge und auf das große Ganze. Eine Lösung sollte zu dem persönlich gewählten Grundlebensprinzip (z.B. Wahrheit, Liebe, Religion, Wissenschaft, standardkonformer sauberer source code) passen und fällt ganz gerne mal unter der Dusche oder morgens beim Aufwachen plötzlich und ohne explizites Nachdenken ein. Sensoriker konzentrieren sich lieber auf’s Detail und auf praktische Lösungen. Gefunden werden diese oft auch einfach durch Ausprobieren. „In erster Linie soll es halt irgendwie funktionieren.“ sagen sie da, während es die hardcore-intuitiven bei dem Satz alleine schon erschaudern lässt und sie drauf bestehen, dass es wichtiger sei, dass die „wahre“ (hoffentlich viel elegantere) Lösung gesucht wird. Ihnen geht es beispielweise oft eher um Ethik wo der Sensorische von Gesetzen redet, oder um Methoden, Muster, Verknüpfungen, Ursprünge und Grammatik wenn die S-Fraktion sich mehr für Fakten, Daten, direkten Nutzen und Vokabeln interessiert.
- T(hinking) <-> F(eeling): Denker versuchen, Situationen rational zu analysieren. Lösungen sollen gerecht sein. Fühlende Menschen verlassen sich mehr auf ihre Empathie und möchten gerne einen Weg finden, der es vielen recht macht. Frauen sind im Schnitt öfter fühlend, Männer öfter denkend.
- J(udging) <-> P(erceiving): Urteilende (judging) mögen endgültige Entscheidungen und halten an Plänen fest. Wahrnehmende (perceiving) legen sich lieber später fest und sind flexibler/spontaner, was Änderungen angeht
Mit der wissenschaftlichen Exaktheit hält es sich hierbei natürlich in Grenzen. Es geht mir jedoch auch nur darum, dass man mit Hilfe dieser Einteilungen eine grobe Vorstellung von den Möglichkeiten, wie sich andere von einem selbst unterscheiden können, bekommen kann, und so mehr Verständnis für andere aber auch für sich selbst entwickeln kann. Mir selbst als sehr intuitiven Menschen hilft das beispielsweise mit sensorischen Leuten besser klar zu kommen. Früher konnte ich mir gar nicht vorstellen, dass man S sein kann, bzw. dass es so etwas überhaupt gibt. 😉
Durch Unverständnis findet man die Eigenschaften des jeweils anderen dann gerne mal schlecht. Vielleicht macht das, was jemand über einen mit dem jeweils anderen Buchstaben in einer Dimension denken könnte, die Sache ja sogar noch deutlicher:
- I findet, dass E eine aufdringliche Laberbacke ist.
- E hält I für einen abweisenden Einsiedler.
- N findet, dass die Arbeiten von S Frickelei sind, und aus ödem Pragmatismus ohne wirkliches Verständnis für das Eigentliche entstehen.
- S meint, dass N ein realitätsferner Idealist ist.
- T ist von Fs gefühlsduseliger Unlogik genervt.
- F empfindet T als kalt und herzlos.
- J meckert P an, dass er ein planloser Chaot sei und es so nie zu etwas bringt.
- P pupt J zurück an, dass er ein engstirniger Langweiler sei.
- NT sieht in ST Dummheit.
- ST meint hingegen, dass NT ein nutzloser Theoretiker ist.
- NF findet SF oberflächlich.
- SF hält NF für einen Träumer.
Ob der MBTI für Partnervermittlungen („Gegensätze ziehen sich an, Gemeinsamkeiten aus.“) nützlich sein kann, sei mal dahingestellt. In der Job-Beratung könnten aber durchaus sinnvolle Hinweise entstehen, was man sich vielleicht man angucken könnte.
Im Atlas of Type Tables findet man Statistiken darüber, wie sehr die verschiedenen Typen in unterschiedlichen Berufen vertreten sind. Hier zwei der Berufe, in denen es sehr deutlich wird:
Man sieht sofort, dass ein großer Anteil der Schulbusfahrer sensorisch-judging und damit „Guardian“ ist. Psychodramatisten sind eher intuitiv-fühlend.
Den möglichen Kombinationen aus Buchstaben kann man verschiedene Charaktere zuweisen. Auf den oben bereits verlinkten Wikipedia-Artikeln oder hier (oder hier) findet man mehr dazu.
Wenn du dich gerne selbst mal testen möchtest, gibt es im Netz genug Möglichkeiten, wie diesen kurzen Test oder diesen langen Test. Listen über die MBTIs von berühmten Menschen findet man ebenso.
Ich selbst bin übrigens INTJ, wobei sich mein J in letzter Zeit etwas mehr in Richtung P entwickelt. 🙂
Edit (2013-07): Mittlerweile stört mich am MBTI etwas, dass er suggeriert, dass sich die gegenüberliegenden Eigenschaften einer Dimension gegenseitig ausschließen. Ich denke beispielsweise, dass man durchaus gleichzeitig zuverlässig und offen für Neues sein kann. Bei den Big Five ist sowas möglich, wodurch man allerdings die Wertfreiheit des MBTI einbüßt, was aber nicht unbedingt verkehrt sein muss. 😉
Eine weitere Typologie, die mir persönlich sehr gut (eigentlich sogar noch etwas besser) gefällt, ist das System von Gunther Dueck. Darauf wirklich einzugehen, würde hier jedoch viel zu lange dauern, jedoch kann ich seine Bücher sehr empfehlen: http://www.amazon.de/Duecks-Trilogie-2-0-Omnisophie-Supramanie/dp/3642026982
Stress, Gesundheit und Motivation
Vieles, was uns Menschen ausmacht, ist evolutionär schon recht alt, und wir teilen es uns mit zahlreichen anderen Säugetieren. Mit vom Gehirn in bestimmten Situationen getriggerten hormonellen Reaktionen verhält es sich ähnlich. Die Ausschüttung von Stresshormonen (Die Hypophyse haut Acetylcholin, das die Nebennierenrinde dann dazu bringt, Glucocorticoide freizusetzen, raus.) ist in der Umgebung, in der wir eine lange Zeit unsere Selektionsdrücke abbekommen haben, gar nicht so verkehrt. Wenn man in eine Fight-or-flight-Situation gerät, ist es nützlich, dass der Körper alle möglichen Tätigkeiten, die da gerade nicht benötigt werden, zurückfährt. Dazu gehören unter anderem Regeneration, Immunsystem, Dopamineinlagerung, Eisprung, Sperma-Produktion, Verdauung, Calciumeinlagerung und viele mehr. Wenn man als Zebra gerade schnell weg muss, weil irgend so ein Löwe einem gerne die Eingeweide rausreißen möchte, gibt es andere Sachen, für die diese Energie besser verwendet wird. Dazu gehört z.B., dass der Blutdruck hoch geht, damit die Muskeln mit mehr Blut und Nährstoffen versorgt werden und man schneller weglaufen kann.
Danach ruht man sich allerdings wieder aus, und die ganzen anderen Körperfunktionen können weitermachen. Solche Stressreaktionen sind aber teilweise auch drin wenn man nur sieht, dass jemand anders gerade gejagt wird. Es ist ja gut, schonmal selbst vorbereitet zu sein.
Wir Menschen mit unserer tollen Phantasie schaffen es jedoch auch, einfach nur im Bett zu liegen, an irgendwas zu denken, das uns Sorgen bereitet (Job, Diskussionen, Löwen(?), Krankheiten, sozioökonomische Situation in der dritten Welt, usw.), und so ebenfalls Glucocorticoide auszuschütten, was nicht nur die Folge hat, dass wir nicht gut einschlafen, sondern auch gesundheitliche Probleme begünstigen kann (siehe die zurückgefahrenen Körperfunktionen weiter oben). Um das an sich selbst zu testen, muss man nichtmal seinen Blutdruck messen wenn man an eine Blumenwiese oder an Krieg denkt. Manche Leute merken es auch an einem trockenen Mund (Speichelproduktion gehört ja schon zur Verdauung) bevor sie eine Rede vor vielen Leuten halten müssen. Dass dauerhaft hoher Blutdruck nicht so schön ist, liegt unter anderem daran, dass die Wände der Arterien dadurch belastet werden, somit ganz kleine eventuell entzündliche Risse entstehen (die dann durch die reduzierte Regeneration auch nicht vollständig repariert werden), an denen sich dann die im Blut rumschwimmenden Fette (besonders die Trans-Fettsäuren) hübsch festsetzen können. Stress und Chips zusammen sind also top wenn man seine Chance auf einen Schlaganfall vergrößern möchte. 😉
Achja, und die Telomere (die Enden an den Chromosomen, die ähnlich wie die Plastikdinger am Ende von Schuhrimen das Ausfransen verhindern) lösen sich schneller auf wenn sie vielen Glucocorticoiden ausgesetzt sind. Da Telomere gern auch als Indikator für Zellalterung benutzt werden, kann man sie gut als Metapher dafür hernehmen, dass Stress alt macht. 😛
Diabetes, Osteoporose (siehe Calciumeinlagerung), Magengeschwüre (diese bakteriell bedingte Krankheit kann dann schlechter abgewehrt werden) sind nur einige Beispiele für körperliche Probleme, die durch Stress begünstigt werden. (Die offensichtlichen physiologischen Ursachen (Ernährung, Bewegung, sonstiger Lebenswandel, Vererbung usw.) existieren selbstständlich trotzdem weiterhin.) Mit dem anfangs erwähnten Rückgang der Einlagerung von Dopamin („Belohnungs-Neurotransmitter) ist auch schon ein (natürlich sehr vereinfachter) Übergang zu psychischen Problemen (in dem Fall Depressionen) da.
Dass Stress auch beim Lösen von kognitiv anspruchsvollen oder kreativen Aufgaben stört, kennen nicht nur viele von sich selbst, sondern auch in der Wirtschaft wird dieser wissenschaftliche Erkenntnis immer mehr ausgenutzt. Ingenieure leisten für ihr Unternehmen oft mehr wenn sie zufrieden, angstfrei und ohne ständige Unterbrechungen arbeiten können. In einen (sehr produktiven) Flow-Zustand kommen viele Menschen so am Besten. Bei der Lösung der Variante des candle-problems, bei der Kreativität gefragt ist, performed der Durchschnitt sogar besser wenn es mit der extrinsischen Motivation nicht übertrieben wird, die finanzielle Belohnung nicht zu sehr vom Ergebnis abhängig ist. Dan Pink erzählt da auch ganz nette Sachen zu, und Peopleware ist ein sehr gutes Buch zu dem Thema. 🙂 Sehr hoher Leistungsdruck oder gar Sklaventreibermethoden (Peitsche statt Zuckerbrot) sind nur in wenigen Jobs wirtschaftlich. (Manchmal passt Theorie Y halt besser als Theorie X. Vielleicht wird sie aber eher nur in Zeiten, in denen es den meißten gut geht, gerne angewandt?)
Dafür, wie man es nun in die Vagotonie, also dass der Parasympathikus (der Teil vom vegetativen Nervensystem, der den ganzen gesunden Regenerationskram macht) schafft, also dafür, wie man sich entspannen kann, gibt es kein Universalrezept. Manchmal hilft es, selbst andere Leute zu stressen. Paviane haben in vielen Gebieten beispielsweise echt viel Freizeit, weil die Nahrungssuche so gut funktioniert, und sie nutzen diese ausgiebig dazu, rangniederen Kollegen das Leben zu erschweren, besonders wenn sie vorher selbst von einem noch ranghöheren eins auf die Mütze bekommen haben. (Kommt uns das irgendwoher bekannt vor? ;)) Dieses Verhalten senkt den im Blut messbaren Stresslevel tatsächlich. Glücklicherweise hilft es aber ebenfalls, mit Leuten, die man mag zusammen zu sein. Das klappt auch bei Laborratten im Versuch. Frustfressen oder viel Bewegung ist bei den Versuchstieren auch beliebt, vorallem wenn kein anderes da ist. Wir Menschen wählen davon vielleicht gerne etwas wenn wir mehr so der introvertierte Typ sind.
Naja, aber was kann man bewusst tun? Da nicht nur die Psyche den Körper beeinflussen kann sondern auch umgekehrt, können Sachen wie progressive Muskelentspannung helfen. Einige Leute stehen auch total auf Meditation.
Oft muss es aber gar nicht so exlizit sein. Es reicht schon wenn die Entspannung implizit aus dem Alltag kommt. Da hilft es eventuell schon, wenn man einfach Dinge macht, die man gerne tut. Sport ist toll, funktioniert aber noch viel besser wenn auch Lust dazu hat, und er Spaß macht. In irgendwelche philosophischen Meta-Überlegungen abzudriften kann für manche Leute auch nützlich sein. Weitere Anregegungen findet man massig im Netz. Also, Chillen nicht verlernen. 🙂
Lineare Moralregression
Das Bewusstsein sitzt in seinem geschlossenen Büro und bekommt mal wieder überhaupt nichts mit. Im Hintergrund läuft leise Yiruma. Es hält vielleicht sogar ein Schläfchen. Plötzlich stößt das Unterbewusstsein die Tür auf, stürmt herein, und noch bevor es einen Stapel Diagramme incl. Zusammenfassung und sonstiges Zeug auf den Schreibtisch knallen kann, ruft es „Hey Bewusstsein! Guck mal, was ich cooles rausgefunden hab! Was hälst du davon? :-)“.
So ähnlich ging es mir vorhin, als mir eine Modellvorstellung zur Entstehung von ethischen Grundsätzen eingefallen ist. Getriggert wurde das Ganze vermutlich durch eine interessante Moraldiskussion gestern im Trainingskeller, an der der Friedrich seine Freude gehabt hätte. ^^
Darüber, welche Verhaltensweisen (wie z.B. „sein Haustier aufessen wenn man Hunger hat“, „jemanden ohne Erlaubnis fotografieren“ usw.) OK oder nicht OK sein sollen, sind sich Menschen ja nicht unbedingt einig, und dass es da kaum ein absolutes Richtig oder Falsch gibt, zeigt ja schon die Postmoderne. Das liegt daran, dass schon die ethischen Grundsätze, aus denen man oft logisch auf konkrete Fälle schließt, unterschiedlich sein können. Veranlagung zu manchen Sachen ist vielleicht sogar angeboren, ansonsten ist viel wohl auch anerzogen oder sonst irgendwie erworben. Die Frage, über die ich gerade nachdenke, ist, wie diese Grundsätze überhaupt entstehen können.
Hier vermute ich, dass diese oft gar nicht abstrakt erdacht werden, sondern aus den schon vorhandenen Gefühlen für die Einzelfälle hergeleitet werden.
Um ein einfaches mathematisches Modell als Analogie anwenden zu können, tue ich jetzt mal einfach so, als wäre es möglich, gewisse Verhaltensweisen, die es zu bewerten gilt, in einzelne unabhängige Eigenschaften (wie z.B. Art der Tat, Motive, Wirkung, Umstände usw.) aufzuteilen, die sich dann wiederum in Zahlen ausdrücken lassen (Quantisierung). Eine Handlung würde sich somit als n-dimensionaler Vektor darstellen lassen.
Um es anschaulich zu halten, reduzieren wir die graphische Darstellung des persönlichen Moralraums einer Person hier mal auf zwei Dimensionen. (So kann ich mich beim Malen der linearen Regression, die noch folgt, auch vor Hyperebenen drücken. ;-)) Verschiedene Handlungen werden eingezeichnet und als grüner Kreis markiert wenn die Person die OK findet und als rotes X wenn die Person, zu der das Diagramm gehört, sie nicht OK findet. Das könnte dann z.B. so aussehen:
Nun macht sich die Person (vielleicht um ihre Gefühlte zu Begründen) ein allgemeines ethisches Prinzip zu eigen, dass sich für sie intuitiv ergibt und/oder dass sie übernommen (und dabei eventuell modifiziert) hat. Wenn es ein einfaches (wie beispielsweise Kants kategorischer Imperativ oder „Ich lüge nie.“ usw.) ist, bietet es sich natürlich an, als mathematisches Äquivalent eine Regressionsgerade zu benutzen. 😉 Dieses einfache Prinzip trennt die beiden Gruppen schon recht gut, jedoch werden einige wenige Datenpunkte (moralisch zu bewertende Handlungen) nicht richtig klassifiziert (der grüne oben links und der rote in der Mitte). Manchmal kommen solche ja auch erst im Nachhinein hinzu, weil sich vorher noch nie die Situation ergeben hat, über sie nachzudenken. Diese Punkte von anderen werden dann gerne rausgekramt, um zu zeigen, dass der jenige inkonsistent sei, und somit nicht Recht haben könne. In unserem Fall sähe ein besser trennendes Prinzip vielleicht so aus:
Diese Funktion ist nicht nur mathematisch komplizierter, sondern als ethisches Prinzip vielleicht auch kaum auzudrücken. (Wer mir jetzt mit dem Kernel-Trick von Support Vector Machines kommen will, darf sich das sparen. Es ist ja nur ’ne Analogie. ;-)) Die Datenpunkte könnten auch noch beliebig gemeiner durcheinander liegen. Eine Möglichkeit, trotzdem mit einfachen Prinzipien (Geraden) durch die Tür zu kommen, ist die, in verschiedenen Situationen verschiedene (logisch manchmal kaum miteinander vereinbare) Regeln zu benutzen:
(Wäre das dann vielleicht sowas wie Doppelmoral? ^^)
Wenn man hier jedoch ein Prinzip in den Bereich eines anderen Prinzips extrapoliert, können kognitive Dissonanzen entstehen, die einem von anderen Leuten dann auch gerne mal aufs Brot geschmiert werden. Es ist also meist praktisch wenn eine einzige Gerade überall funktioniert, jedoch nicht immer möglich. Besonders wenn es bei den Situationen plötzlich nicht mehr um irgendwen abstraktes sondern um einem nahestehende Leute geht, werden viele da dann doch recht flott mal nichtlinear. 😉
Zusätzlich könnte es sein, dass gewisse Punkte nach neuen Erfahrungen plötzlich anders bewertet werden (ihre Farbe wechseln), je nach Stimmung in die eine oder die andere Kategorie fallen oder sogar gar nicht klar zugeordnet werden können und je nach konkretem Fall anders gesehen werden.
Worauf will ich überhaupt hinaus? So sicher bin ich mir da gerade auch nicht, aber als Moral (höhö) von der Geschichte könnte man ja vielleicht mitnehmen, dass es nicht zwangsläufig so ist, dass ethische Prinzipien, die man gut findet, zu allen moralischen Gefühlen, die man so hat, passen müssen, und dass selbst diese zwischen verschiedenen Personen variieren können, ohne dass es eine dem Universum inhärente Wahrheit diesbezüglich gäbe. Wenn man über bestimmte Einzelfälle diskutiert, kann es also helfen (im Sinne von Stressvermeidung), sich auch der eigenen Subjektivität bewusst zu sein, und dazu weder von sich noch vom anderen 100%ige logische Konsistenz der moralischen Gefühle bezogen auf das jeweils vertretene Grundprinzip zu erwarten. 🙂
Achso, geschicktes absichtliches Manipulieren von anderen würde in diesem Modell übrigens ungefähr so aussehen:
Man kennt grob den Moralraum von jemandem, der sich z.B. so darstellt:
Der schwarze Punkt mit dem Fragezeichen steht nun für eine Handlung, zu der der andere noch keine Meinung hat, man selbst jedoch schon, und von der man den anderen überzeugen will. Nun bringt man ihm ein einfaches ethisches Prinzip näher, dass kompatibel zu seinen Gefühlen ist, den schwarzen Punkt jedoch auf die Seite klassifiziert, auf der man ihn selbst gerne hätte. Wenn die Freiheiten des gegebenen Moralraums der Person es zulassen, kann man sie also in beide Richtungen beeinflussen, je nach Belieben.
Das Internet: Wünsche aus Politik und Wirtschaft
(Warnung: Dieser Artikel spiegelt die persönlichen moralischen Gefühle des Autors wieder. Mit anderen Grundannahmen in diesem Bereich kann man natürlich zu vollkommen anderen Ergebnissen kommen. ;))
Für mich persönlich ist das Internet eine sehr tolle (wenn nicht vielleicht sogar die bisher tollste) Erfindung der Menschheit. Der Sprung in Sachen Verbreitungsmöglichkeiten, Freiheit und Zugänglichkeit von Informationen ist mindestens so hoch wie damals durch das Aufkommen des Buchdrucks. Selbst wenn man kein Fan von der sich rasant verändernden Kultur der Netzgemeinschaft ist, wird man vermutlich trotzdem die Vorteile für Freiheit und Demokratie erkennen. Informationen fließen nicht nur schneller sondern auch von viel mehr verschiedenen unabhängigen Quellen als das mit klassischen Medien möglich ist. Wenn man mit der Vielfältigkeit vertraut ist und selbstständig Quatsch (wie vielleicht diesen Blog? :D) herausfiltern kann, profitiert man sehr.
Doof finde ich allerdings teilweise, was versucht wird aus dem Netz zu machen. Parolen wie „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein.“ (ist es nicht und war es nie) werden da gerne gedroschen, und es werden Vorratsdatenspeicherung, heimliche Online-Durchsuchungen und Netzsperren gefordert.
Klar, es muss gegen Straftaten vorgegangen werden können, aber Polizei und Geheimdienste können bei bestehendem Verdachtsmoment mit richterlichem Beschluss ja eh schon überwachen. Dafür muss man nicht die Verbindungsdaten aller anderen Leute auch speichern. Viele fänden es ja auch uncool wenn „draussen“ aufgezeichnet würde, wann man wo war, mit wem gesprochen hat, etc.
Hausdurchsuchungen gibt es auch schon lange wenn stark vermutet wird, dass jemand übelsten Mist baut. Wenn er dafür seinen Computer benutzt (oder sich Beweise auf ihm finden könnten), wird der dann selbstverständlich zur Aufklärung auch mitgenommen und durchsucht. Dafür muss das Ganze nicht heimlich online gemacht werden. Soetwas könnte nur viel leicht zu Missbrauch führen.
Jemandem den Netzzugang sperren zu wollen, nur weil er urheberrechtlich geschütztes Material heruntergeladen hat, ist für mich viel zu drakonisch. Man würde ja auch kein Verbot, die komplette Stadt Köln zu betreten, verhängen, weil jemand da in einem Musik-Geschäft eine CD genommen, zuhause kopiert und dann wieder zurückgelegt hat. Der Begriff „Raubkopie“ ist da eh ein starker Dysphemismus, denn unter Raub versteht man laut Wikipedia die gewaltsame Wegnahme fremder Sachen. Gewalt ist hier keine im Spiel, und weg sind die Sachen dann auch nicht, nur vervielfältigt. Klar, darüber, wie schlimm die Verluste für die Musikindustrie sind, lässt sich streiten (manche Anwälte berechnen da viele fantastilliarden Euro pro hochgeladenem Album), aber Musiker und andere Künstler, die echt gute Werke geschaffen haben, gab es auch schon vor Zeiten der Schallplatte. Da hier schon lange eine Diskrepanz im moralischen Gefühl zwischen Lobby und großen Teiles des Volks besteht, wird sich da eh irgendeine andere Regelung finden müssen, wenn man nicht ewig „Krieg“ haben will. Technisch wird man es immer hinbekommen, irgendwie Daten zu tauschen. 😉
Aktuell ist die USA um ihr Sopa vorallem ja auch dank dem Protest großer Websites wie Wikipedia erstmal drumherum gekommen. Wir haben nun mit ACTA zu kämpfen. Terroristen als Grund zur Überwachung ziehen irgendwie nicht mehr so recht. Das Thema mit der Pädophilie überzeugt auch kaum noch so richtig, da nun fast jeder den Unterschied zwischen dem eigentlichen Begehen einer Gewalttat und dem Anschauen eines Videos, dass eine solche Tat dokumentiert, verstanden hat. Studien die zeigen, dass das zweite das erste kausal fördert, sind mir ebensowenig bekannt, wie Statistiken, die eine positive Korrelation zwischen der Verbreitung des Internets und diesen Taten beschreiben. Vom zeitlichen Verlauf her ist eher das Gegenteil der Fall:
Quelle: http://pediatrics.aappublications.org/content/128/1/156.extract
Hier sieht’s ähnlich aus: http://www.nscb.gov.ph/headlines/StatsSpeak/2008/090808_rav_wedc.asp (Figure 3-B. Number of Reported Child Abuse Served by DSWD, by Type of Abuse: 1998 to 2007)
Früher war also doch nicht alles besser. 😉
Aber momentan sind es ja eh wieder die Filesharer, wegen denen man angeblich alles überwachen oder sonstwie anders machen muss. Mal schaun, mit welcher Maßnahmen man als nächstes versucht, irgendwie am Bundesverfassungsgericht vorbei zu kommen, und welchen Grund man sich dieses mal ausdenkt…