Aufgeschlossenheit

„Sei doch nicht so engstirnig. Es gibt viele Dinge zwischen Himmel und Erde, die du nicht verstehst. Sei denen gegenüber doch mal aufgeschlossen.“
So oder so ähnlich könnte es sich anhören, was ein wissenschaftlich denkender Mensch von einem Anhänger einer Religion, Horoskopen, Homöopathie oder ähnlichem gesagt bekommt. Mal abgesehen davon, dass man Wissenschaft betreibt, gerade weil man noch lange nicht alles weiß und sich mit jeder Antwort oft doppelt so viele neue Fragen ergeben, scheint hier eine andere (mir unbegreifliche) Vorstellung von Aufgeschlossenheit vorzuliegen. 😉

Bei der wissenschaftlichen Methode passt man seine Überzeugungen den Ergebnissen, die die experimentelle Überprüfung der eigenen Theorien in der Realität zeigt, an; auch wenn das bedeutet, einzusehen, dass man vorher auf dem Holzweg war, oder man einen anderen Ausgang aus sonstigen Gründen eventuell irgendwie lieber gehabt hätte. Gerade in Wissenschaften, die in der Emergenz-Hierarchie ziemlich weit „links“ liegen (Medizin und so), ist das öfter mal der Fall, da sich die Empirie hier manchmal recht schwierig gestalten kann. Dinge wie Newtons Gravitationstheorie oder andere physikalischen Gesetze hingegen sind schon so oft überprüft worden und haben erfolgreich Anwendung in der Technik gefunden, dass es sehr extrem unwahrscheinlich ist, dass sie irgendwann widerlegt werden. Einsteins allgemeine Relativitätstheorie beispielsweise widerlegt Newton nicht, sondern erweitert ihn und zeigt, dass er ein Spezialfall eines allgemeineren Zusammenhangs ist.

„Aber früher haben auch die schlausten Leute gedacht, dass die Erde flach ist, also kann jetzt auch alles, was ihr denkt, falsch sein.“

(Mal abgesehen davon, dass die moderne Annahme, dass insbesondere die mittelalterliche Christenheit an eine Erdscheibe geglaubt habe, irrig ist:) Klar kann es das. Wir machen uns ja nur Modellvorstellungen, um unsere Beobachtungen zu erklären. Zu der Zeit, auf die sich eben bezogen wurde, gab es noch gar keine Ansprüche auf Überprüfbarkeit. Mit (moderner) Wissenschaft hätte das also nichts zu tun gehabt.

Religion, Astrologie, Alternativmedizin* usw. funktionieren wie ich das mitbekomme so, dass man zunächst an etwas glaubt, und das dann endweder gar nicht auf Wahrheit hin überprüft, Widersprüche und gescheiterte Experimente ignoriert, und wenn überhaupt nur die Fakten sieht, die einem in den Kram passen (und dabei auf Signifikanz scheißt). Für mich ist das das Gegenteil von Aufgeschlossenheit. 🙂

Also, sei doch mal aufgeschlossen dafür, dass dein Bewusstsein eventuell nichts transzendentes sein könnte, Arnica C30 dir nur durch den Placeboeffekt geholfen hat und du dein Horoskop auch auswürfeln kannst. Umgekehrt ist es die Wissenschaft ja auch. (Die meisten Chemiker würden sich forschungsmäßig sofort auf die Globuli stürzen, um herauszufinden, wie sie trotz nicht vorhandenem Wirkstoff besser funktionieren als ein genauso verabreichtes Pacebo, wenn sich im Versuch denn mal was anderes zeigen würde, als dass sie das nicht tun.) Bisher war es jedoch noch am Schluss jeder Scooby-Doo-Folge so, dass das vermeintlich übernatürliche Gespenst nach der Demaskierung seine wahre (natürliche) Herkunft gezeigt hat. 😉

Wenn du jemanden triffst, der sich zwar Wissenschaftler nennt, jedoch neuen Erkenntnissen gegenüber nicht aufgeschlossen ist, ist das kein Fehler in der wissenschaftlichen Methode, sondern einer, den dieser Mensch macht. Porsches sind ja auch nicht kacke, nur weil du ein Arschloch kennst, dass einen fährt. Don’t hate the Game. Hate the Player. ^_-

*Weißt du, wie man Alternativmedizin, von der gezeigt wurde, dass sie funktioniert, nennt? – Medizin. 🙂

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