(Warnung: Dieser Artikel spiegelt die persönlichen moralischen Gefühle des Autors wieder. Mit anderen Grundannahmen in diesem Bereich kann man natürlich zu vollkommen anderen Ergebnissen kommen. ;))
Für mich persönlich ist das Internet eine sehr tolle (wenn nicht vielleicht sogar die bisher tollste) Erfindung der Menschheit. Der Sprung in Sachen Verbreitungsmöglichkeiten, Freiheit und Zugänglichkeit von Informationen ist mindestens so hoch wie damals durch das Aufkommen des Buchdrucks. Selbst wenn man kein Fan von der sich rasant verändernden Kultur der Netzgemeinschaft ist, wird man vermutlich trotzdem die Vorteile für Freiheit und Demokratie erkennen. Informationen fließen nicht nur schneller sondern auch von viel mehr verschiedenen unabhängigen Quellen als das mit klassischen Medien möglich ist. Wenn man mit der Vielfältigkeit vertraut ist und selbstständig Quatsch (wie vielleicht diesen Blog? :D) herausfiltern kann, profitiert man sehr.
Doof finde ich allerdings teilweise, was versucht wird aus dem Netz zu machen. Parolen wie „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein.“ (ist es nicht und war es nie) werden da gerne gedroschen, und es werden Vorratsdatenspeicherung, heimliche Online-Durchsuchungen und Netzsperren gefordert.
Klar, es muss gegen Straftaten vorgegangen werden können, aber Polizei und Geheimdienste können bei bestehendem Verdachtsmoment mit richterlichem Beschluss ja eh schon überwachen. Dafür muss man nicht die Verbindungsdaten aller anderen Leute auch speichern. Viele fänden es ja auch uncool wenn „draussen“ aufgezeichnet würde, wann man wo war, mit wem gesprochen hat, etc.
Hausdurchsuchungen gibt es auch schon lange wenn stark vermutet wird, dass jemand übelsten Mist baut. Wenn er dafür seinen Computer benutzt (oder sich Beweise auf ihm finden könnten), wird der dann selbstverständlich zur Aufklärung auch mitgenommen und durchsucht. Dafür muss das Ganze nicht heimlich online gemacht werden. Soetwas könnte nur viel leicht zu Missbrauch führen.
Jemandem den Netzzugang sperren zu wollen, nur weil er urheberrechtlich geschütztes Material heruntergeladen hat, ist für mich viel zu drakonisch. Man würde ja auch kein Verbot, die komplette Stadt Köln zu betreten, verhängen, weil jemand da in einem Musik-Geschäft eine CD genommen, zuhause kopiert und dann wieder zurückgelegt hat. Der Begriff „Raubkopie“ ist da eh ein starker Dysphemismus, denn unter Raub versteht man laut Wikipedia die gewaltsame Wegnahme fremder Sachen. Gewalt ist hier keine im Spiel, und weg sind die Sachen dann auch nicht, nur vervielfältigt. Klar, darüber, wie schlimm die Verluste für die Musikindustrie sind, lässt sich streiten (manche Anwälte berechnen da viele fantastilliarden Euro pro hochgeladenem Album), aber Musiker und andere Künstler, die echt gute Werke geschaffen haben, gab es auch schon vor Zeiten der Schallplatte. Da hier schon lange eine Diskrepanz im moralischen Gefühl zwischen Lobby und großen Teiles des Volks besteht, wird sich da eh irgendeine andere Regelung finden müssen, wenn man nicht ewig „Krieg“ haben will. Technisch wird man es immer hinbekommen, irgendwie Daten zu tauschen. 😉
Aktuell ist die USA um ihr Sopa vorallem ja auch dank dem Protest großer Websites wie Wikipedia erstmal drumherum gekommen. Wir haben nun mit ACTA zu kämpfen. Terroristen als Grund zur Überwachung ziehen irgendwie nicht mehr so recht. Das Thema mit der Pädophilie überzeugt auch kaum noch so richtig, da nun fast jeder den Unterschied zwischen dem eigentlichen Begehen einer Gewalttat und dem Anschauen eines Videos, dass eine solche Tat dokumentiert, verstanden hat. Studien die zeigen, dass das zweite das erste kausal fördert, sind mir ebensowenig bekannt, wie Statistiken, die eine positive Korrelation zwischen der Verbreitung des Internets und diesen Taten beschreiben. Vom zeitlichen Verlauf her ist eher das Gegenteil der Fall:
Quelle: http://pediatrics.aappublications.org/content/128/1/156.extract
Hier sieht’s ähnlich aus: http://www.nscb.gov.ph/headlines/StatsSpeak/2008/090808_rav_wedc.asp (Figure 3-B. Number of Reported Child Abuse Served by DSWD, by Type of Abuse: 1998 to 2007)
Früher war also doch nicht alles besser. 😉
Aber momentan sind es ja eh wieder die Filesharer, wegen denen man angeblich alles überwachen oder sonstwie anders machen muss. Mal schaun, mit welcher Maßnahmen man als nächstes versucht, irgendwie am Bundesverfassungsgericht vorbei zu kommen, und welchen Grund man sich dieses mal ausdenkt…