Oft messen irgendwelche Studien/Statistiken die Korrelation (gemeinsames Auftreten) zweier Dinge, und in Zeitungen oder sonstwo wird dann fälschlicherweise von Kausalität (Ursache und Wirkung) berichtet. Das könnte zwar daran liegen, dass die Journalisten den Unterschied einfach nicht kennen, aber vielleicht ist es auch so, dass die Zeitungen, in denen nichts für die Spektakularität hinzuerfunden wird, sich weniger verkaufen, und die Zeitungen deshalb einfach nur auffällige (wenn auch inkorrekte) Schlagzeilen machen wollen. Die meisten Leser folgen eben der uns Menschen angeborenen und in anderem Kontext auch nützlichen) Präferenz, ständig Kausalzusammenhänge zu sehen, und möchten auch lieber sowas lesen. Dass sie damit leider oft einem Irrtum unterliegen, wissen sie nicht. Da wir ja aber nicht auch in diese Falle tappen wollen, nehmen wir das doch mal kurz auseinander. 😉
Angenommen, wir sind Ernährungswissenschaftler und wollen herausfinden (wie auch immer wir auf die Idee kommen), ob die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren (besonders das in Kaltwasserfischen vorkommende EPA und DHA) den Blutdruck positiv, negativ oder gar nicht beeinflusst.
Ein sehr naiver (und falscher) Ansatz ist, einfach den Blutdruck vieler Leute zu messen und herauszufinden, ob und wieviel Omega-3 sie zu sich nehmen. Eventuell ergibt sich dann ein Zusammenhang in der Art von „Leute, die mehr Omega-3 essen, haben im Schnitt einen höheren Blutdruck.“ Wenn man dämlich genug ist, könnte man daraus folgern, dass die Omega-3s den hohen Blutdruck verursacht haben, also dass ein Kausalzusammenhang, der im Gegensatz zur Korrelation direktional ist, besteht.
Es gibt einige Artikel wie diesen hier (link) indem genau dieser Fehlschluss (allerdings mit Krebs statt Bluthochdruck) gemacht wurde.
Falsch ist die Schlussfolgerung, weil die Korrelation auch ganz anders entstanden sein kann. Eventuell haben die Leute erst auf Grund ihrer gesundheitlichen Probleme angefangen, Omega-3 zu nehmen, weil diese ja eigentlich als gut gelten. Es könnte allerdings auch sein, dass die beiden Dinge gar nicht direkt kausal zusammenhängen und eine andere Größe beide verursacht:
Eventuell haben Leute, die mehr Arbeiten oder mehr Stress haben, im Schnitt einen höheren Blutdruck und greifen auch eher zu Supplementen als Leute mit weniger Stress/Arbeit. In diesem Fall wäre das Fragezeichen also Arbeit/Stress. Es könnte aber auch irgendwas anderes sein. Wir wissen es einfach nicht.
Gut, der Ansatz führt also schonmal zu nichts. Zumindest nicht zu dem, was wir ursprünglich wissen wollten. Wie machen wir es dann? Eine deutlich bessere Methode ist es, ein Experiment durchzuführen, bei dem der Omega-3-Konsum eine sogenannte unabhängige Variable ist. Wir benötigen also eine (möglichst große) Gruppe von Menschen, die wir z.B. halbieren. Wer in welcher Hälfte landet muss der Zufall entscheiden und nicht die jeweilige Personen selber. Eine der beiden Untergruppen (Experimentalgruppe) lassen wir nun täglich eine bestimmte Menge Omega-3 zu sich nehmen, die andere (Kontrollgruppe) nicht. Das ziehen wir einige Zeit lang durch und schauen dann, wieviele sich der Blutdruck der Leute aus den beiden Gruppen entwickelt hat. Angenommen hierbei käme jetzt heraus, dass der Blutdruck der Leute der Experimentalgruppe im Schnitt um 10 Torr gesunken ist, und der der Kontrollgruppe gleich geblieben (oder z.B. um 2 Torr gestiegen) ist, wäre eine Aussage in der Art von „Omega-3 verringert den Blutdruck.“ schon etwas gerechtfertigter, und interessanterweise ja das genaue Gegenteil von der Aussage, zu der wir durch unseren naiven Korrelations-Ansatz gekommen wären, dessen Sinnlosigkeit (und Gefährlichkeit) spätestens hier offensichtlich wird.
Optimal ist das Experiment aber noch nicht, denn die Versuchsteilnehmer wussten, in welcher der beiden Gruppen sie waren, und alleine schon das Wissen, etwas einzunehmen, was angeblich gut für die Gesundheit ist, kann eine Änderung bewirken. Das nennt man dann Placebo-Effekt, und dieser Effekt ist auch die Grundlage für die „Wirksamkeit“ von homöopathischen „Arzneimitteln“, die tatsächlich nämlich gar keinen Wirkstoff enthalten.
Diesen Effekt können wir aber auch aus unserem Experiment verbannen, indem wir der Kontrollgruppe nicht nur einfach nichts geben, sondern ein Placebo, dass genauso aussieht/riecht/schmeckt wie das, was die Experimentalgruppe bekommt, nur halt keinen Wirkstoff enthält. (Blindstudie). Damit die Leute, die den Versuchsteilnehmern das Mittel übergeben nicht unterbewussten Einfluss nehmen (Rosenthal-Effekt), sollten diese selber auch gar nicht wissen, ob sie gerade ein Placebo weitergeben, also mit welcher Gruppe sie es zu tun haben. Das nennt sich dann Doppelblindstudie und gilt als der Goldstandard in der Forschung.
Bei solchen Ergebnissen gilt es dann generell noch zu beachten, wie hoch die statistische Signifikanz und die Varianz (Streuung/Abweichung) sind, womit man ausrechnen kann, wie wahrscheinlich es ist, dass das Ergebnis, dass man bekommen hat, nur Zufall ist. Diese Wahrscheinlichkeit will man natürlich verringern, was man unter Anderem gut durch Erhöhen der Zahl der Versuchsteilnehmer erreichen kann. Eine hohe Varianz, oder ein anderes Ergebnis bei wiederholter Durchführung der Studie mit anderen Teilnehmern kann übrigens darauf hindeuten, dass es weitere entscheidende Variablen gibt. Eventuell besteht eine Wirkung nur wenn man ein gewisses Gen in sich trägt, der Blutdruck vorher schon einen gewissen Wert grob erreicht hatte, oder sonstwas. Man sollte dann also nochmal genauer hinschauen.
Ein solches Studienergebnis ist dann zwar noch keine Garantie, dass sich bei einem bestimmten Individuum der gleiche Effekt einstellen wird, es ist aber ein guter Hinweis darauf, was man versuchen sollte.
Nun möchte ich noch ein (aktuelles) Beispiel zeigen, bei dem die Medien Kausalität unterstellen, obwohl nur Korrelation gemessen wurde:
– Kampfverletzungen von Schülern und IQ: Hier wird festgestellt, dass Menschen, die als Kinder bei einer Klopperei etwas abbekommen haben, dümmer sind als welche, bei denen das nicht der Fall war. Fälschlicherweise wird daraus geschlossen, dass sie deshalb dümmer geworden sind. Auszuschliessen ist es ohne weitere Forschung nicht, aber wahrscheinlicher ist es hier eher, dass dumme Kinder im Schnitt dumme Erwachsene werden, und dumme Menschen sich eher prügeln.
Zu guter Letzt noch ein Klassiker, der sehr gut aufzeigt, wie albern es ist, aus Korrelation direkt auf Kausalität zu schliessen: Es gibt eine starke positive örtliche Korrelation zwischen der größe der Klapperstorchpopulation und der menschlichen Geburtenrate. Mit anderen Worten: Menschen, die in Gegenden wohnen, in denen es mehr Klapperstörche gibt, bekommen mehr Kinder. Der hier offensichtlich falsche, aber von der Methode her ständig gemachte Fehlschluss ist der, dass die Klapperstorche für die Kinder verantwortlich sind. Tatsächlich ist es aber eher so, dass Menschen in ländlichen Gegenden mehr Kinder bekommen als Menschen in Städten, und auf dem Land halt auch mehr Klapperstörche leben. Ebenso ungütig für einen Schluss auf Kausalität wäre übrigens die zeitliche Korrelation: Dass die gesamtdeutsche Klapperstorchpopulation in den letzten Jahrzehnten ebenso wie die menchlische Geburtenrate heruntergegangen ist, bedeutet nicht, dass eins davon die Ursache für das Andere ist.
Wenn du also das nächste mal in der Zeitung oder sonstwo liest, dass ein Zusammenhang zwischen zwei Dingen gefunden wurde, der angeblich eine Ursache-Wirkungs-Beziehung darstellen soll, schau nach, ob es sich tatsächlich um eine Doppelblindstudie gehandelt hat, oder ob eigentlich nur wieder sowas wie die Klapperstorchkorrelation gemessen wurde. 😉
Wer gerne selbst phantasiert, kann sich auf dieser hübsch gemachten Seite übrigens fein austoben: gapminder.org (Man beachte, wie viele Korrelationen sich auf den sozioökonimischen Gradienten zurückführen lassen. :))
Bei Supplementen oder Medikamenten ist es glücklicherweise oft möglich, Doppelblindstudien durchzuziehen. Doof ist es nur wenn man die Antwort auf eine Frage sucht, für die das (beispielsweise aus ethischen Gründen) nicht möglich ist. Angenommen wir wollen wissen, ob Rauchen Lungenprobleme verursacht. Eine Studie, in der wir eine (natürlich wieder zufallseingeteilte) Gruppe von Menschen nötigen Jahre lang zu rauchen und es einer anderen Gruppe untersagen, ist nicht machbar. Wir sind also gezwungen, nur mit Korrelationsdaten zu arbeiten. Diese Daten zeigen zwar, dass Raucher viel öfter kaputte Lungen haben als Nichtraucher, aber es könnte halt auch wieder eine dritte Variable geben, die Lungenprobleme verursacht und gleichzeitig Leute dazu bringt, zu rauchen. Um trotzdem zu einem nicht ganz schwachsinnigen Ergebnis zu kommen, werden nun über viele Jahre sehr viele weitere Daten erhoben und dann versucht, mathematisch die anderen Faktoren herauszurechnen. Wenn die Korrelation danach immernoch (wie im Fall von Rauchen<->Lungenkrebs) sehr stark ist, kann man danach einigermaßen zuverlässig sagen, dass eine Kausalbeziehung besteht, also dass Rauchen gesundheitsschädlich ist. Allerdings ist diese Aussage leider nicht so sicher wie eine, die aus Doppelblindstudien hervorgegangen wäre.