Immer wieder hört man Aussagen wie:
– „Die Autoindustrie weiß schon längst, wie man ein Auto baut, das nur 1L Benzin auf 100km verbraucht. Sie bringen es nur nicht auf den Markt, weil sie mit den Ölkonzernen unter einer Decke steckt.“
– „Die Reifenhersteller wissen schon ewig, wie man Reifen produziert, die sich nicht abnutzen, sie produzieren diese aber nicht, weil sie ja zukünftig weiter Reifen verkaufen wollen.“
– „Die Pharma-Industrie könnte schon seit Jahren viel bessere Medizin anbieten. Das tut sie aber nicht, weil sie will, dass wir krank werden und mehr Medizin kaufen.“
– „Man kann schon lange viel preiswertere und effizientere Solarzellen herstellen, aber die Energiekonzerne verhindern das, weil sie weiterhin teuren Strom verkaufen wollen.“
usw.
Ich versuche hier mal erst gar nicht irgendwie kompliziert mit Mechanik, Reibung, Biochemie und Thermodynamik argumentieren sondern mit ganz einfacher Betriebswirtschaftslehre und Spieltheorie. 🙂
In den genannten Marktsegmenten stehen verschiedene Firmen in Konkurrenz zueinander. Wenn eine davon Pläne für so ein Superprodukt hätte, wären die Chefs da ziemlich blöde wenn sie es nicht auch produzieren und verkaufen würden. Selbst wenn die Gesamte Industrie in dem Bereich (also alle dort miteinander konkurrierenden Firmen) nach der Vermarktung von so etwas insgesamt weniger Umsatz machen würde, wäre der Vorteil der ersten Firma, die es rausbringt, viel zu groß. Mit so einem den anderen Produkten Überlegenen könnte man fast über Nacht so extrem viel Geld verdienen und seinen Markanteil so heftig maximieren, dass die meisten anderen Firmen riesige Verluste fahren würden. (Die Latenzzeit, die die anderen bräuchten, um auch ihre Produktion und Logistik anzupassen, um ebenfalls sowas auf den Markt werfen zu können, wäre ja nicht null. Das ist auch der entscheidende Unterschied zu Preiskartellen, wie man sie sich z.B. bei Benzinpreisen vorstellen könnte.) Man selbst hätte also bis dahin schon so viel verdient, dass der Gewinn, die Quartalszahlen und der Aktienkurs der eigenen Firma komplett „off the charts“ gehen würden.
Als ob da alle Manager dauerhaft widerstehen könnten… 😉
Und selbst wenn wir annehmen, dass sich alle Vorstände aller Firmen Weltweit da abgesprochen hätten, wäre diese Strategie trotzdem keine evolutionär stabile (Sie würde invadiert werden.), denn früher oder später würden auch Entwickler, die nicht in diesem „Geheimbund“ sind, drauf kommen, wie es geht. Wenn das Produkt dann tatsächlich so eindeutig krass überlegen ist, würden sich langfristig auch irgendwann Geldgeber finden (Sie würden ja mitverdienen.) und schon käme das Produkt auf den Markt, und die eingesessenen Firmen müssten mitziehen, da sie sonst untergehen würden.
Kurzfristig kann man schonmal für ein besseres Timing eine Markteinführung verzögern. Manchmal machen bestimmt auch mal irgendwelche Chefs geistig dicht, weil sie den Entwickler, der den Vorschlag macht, nicht mögen. Bei den Industrie-Verschwörungs-Sprüchen vom Anfang gehts ja aber um Sachen, die viele Firmen seit Dekaden angeblich schon können, und das ist auf Grund der hier dargelegten Überlegungen eher unwahrscheinlich. 😉
Generell habe ich bei vielen Verschwörungstheorien (auch wenn ich natürlich nicht 100%ig ausschließen kann, dass an einigen tatsächlich etwas wahres dran ist) den Eindruck, dass sie oft aus dem Wunsch heraus entstehen, dass die Welt geplanter wäre, als sie es eigentlich ist. Wenn jemand „böses“ Schuld an allem, das doof ist, wäre, gäbe es eine Struktur, die sich eventuell ändern ließe. Tatsächlich scheint aber vieles einfach ohne zentrale Steuerung, teilweise sogar recht chaotisch, von statten zu gehen.