Immer wieder wird irgendwo über Willensfreiheit rumdiskutiert, und ich habe den Eindruck, dass da oft aneinander vorbeigeredet wird.
Natürlich kann ich tun, was ich will. Ich kann auch denken, was ich will. Aber wie soll ich denn wollen können, was ich will? Im besten Fall landet man da doch in einer unendlichen Rekursion. (Will ich, dass ich will, dass ich will, dass ich etwas will…? ^_-)
Und was soll man sich sonst darunter vorstellen als zu wollen, was man will?
Man muss natürlich zwischen Handlungsfreiheit und Willensfreiheit unterscheiden.
Die Frage an sich (genau wie das Benutzen der Ergebnisse des Libet-Experiments und co.) finde ich deshalb schon etwas seltsam. Ganz egal, ob man Fan von Determinismus ist oder nicht, selbst wenn man an eine von den Naturgesetzen losgelöste Seele (wtf ^^) glaubt, die den Körper bewohnt, gibt es Ungereimtheiten, wenn man nicht einsehen will, dass der „freier Wille“ eine Illusion ist.
Naturalistisch: Wille, wie Bewusstsein usw., sind die Vorgänge der Repräsentation von Informationen, die an den Verknüpfungen der Zellen in unserem Gehirn und ihren elektrischen Ladungen hängen. Information ist Matrie in Formation. Materie unterliegt kausalen Naturgesetzen. Wille ist ein emergentes (Epi-?)Phänomen davon.
Naturalistisch, deterministisch: Wenn man jeden Zustand jedes Teilchens kennen würde (Mensch, Werner!), wäre alles spätere berechenbar und stünde somit schon fest.
Naturalistisch, indeterministisch: In den Naturgesetzen ist ein gewisser reiner Zufall drin. Damit wär unser Wille halt auch mit einem Zufallsfaktor behaftet und hätte soviel Freiheit wie ein Würfel.
Dualistisch: Die/der (wie auch immer geartete) Seele/Geist, die/der an keine Naturgesetze gebunden ist, entscheidet, was sie/er will, also was ich als Person will. Klasse. Entweder macht sie das auf Grund unseres Charakters (und damit unseren Erfahrungen) und der jeweiligen Situation, dann ist der Wille kausal (wenn auch nicht naturgesetzlich-kausal) und somit nicht frei. Oder sie macht das ohne irgendwelche Ursachen, womit das ganze komplett zufällig wäre (Zwischenstufen darfst du dir selbst ausdenken.;)). Der Wille wäre dann ein jenseitiger Würfel.
Wenn man „Willensfreiheit“ nicht irgendwie ziemlich umdefiniert, funktioniert die Vorstellung also eigentlich nicht. Es kommt einem zwar so vor als ob der eigene Wille frei sei, aber nur weil einem immer nur ein sehr kleiner Teil der Denkvorgänge bewusst ist, nämlich die oberen Emergenzebenen. Der „Hardware„, auf der diese entstehen, sieht man die Kausalität leichter an. Diese werkelt so vor sich hin, und irgendwann fällt einem dann halt so ein fast fertiger Wille ins Bewusstsein. Man hat keine Ahnung, wo er herkommt (weil man die zur Entstehung führenden Prozesse nicht mitbekommt), und meint dann, dass das frei (was auch immer das heißen soll) entstanden sei. Wie sollte man auch in der Lage sein, alle Vorgänge im eigenen Gehirn mit dem eigenen Gehirn zu erfassen? Ein C64 kann auch schlecht einen vollwertigen C64-Emulator in Echtzeit laufen lassen. 😉
Vermutlich ist es schon nicht verkehrt, dass unsere Gesetze weiterhin so aufgebaut sind als gäbe es so etwas ähnliches wie Willensfreiheit (auf der psychischen Emergenz-Ebene wirkt es ja auch so), aber wenn man gedanklich damit abgeschlossen hat, bestraft man eventuell nicht mehr aus Rache oder Hass, sondern nur aus Notwendigkeit, damit die Gesellschaft besser (im Sinne von mehr Wohl, weniger Wehe) funktioniert. „Gut“ und „Böse“ sind so nichts weiter als leere Worthülsen. (Ein Stein, der einen Berg runterrollt, und dabei jemandem schadet, ist ja auch nicht „böse“.) „Schuld“ ist dann lediglich ein gedankliches Werkzeug, um auszudrücken, ob Taten von jemandem seine Einstellung zu seinen Opfern, den Gesetzen, oder was auch immer widerspiegeln. Auch wenn der Wille nicht frei ist, bleibt er ein entscheidenes Kriterium. Wenn man Schaden anrichtet, weil man es wollte, ist das also etwas anderes als ein Versehen oder wenn man dazu gezwungen wurde.
Das in Einzelfällen festzustellen wird natürlich weiterhin ein komplexes Thema der (Selbst-)Justiz bleiben.
Nette Nebeneffekte sind ebenfalls, dass man sich nicht mehr für vergangenes schämen braucht, auf nichts mehr übertrieben stolz zu sein hat, weniger Hass (obwohl evolutionärpsychologisch kein sinnloses Konzept, aber manchmal hat man vielleicht einfach keinen Bock mehr drauf) empfinden muss, und es leichter Fällt, Emotionen, auf die man keine Lust hat, auszuweichen, und die, die man haben möchte, zu genießen.
Es hat von der Praxis her fast etwas buddhistisches.
Also, befreie dich doch ruhig von der Vorstellung der Willensfreiheit, zumindest wenn du das denn auch willst.;)
Falls du nicht willst, frag dich mal, wovon du frei sein willst? Von Kausalität oder Zufall? Willst du eine Wirkung ohne Ursache sein wie Aristoteles‘ Gott? Falls dir noch eine andere Möglichkeit einfällt, würd‘ ich mich freuen wenn du sie mir verrätst. 🙂
Irgendwie werde ich nicht ganz warm damit. Dass es keine Willensfreiheit gibt, sondern diese nur eine Illusion ist, die in unserer Unfähigkeit begründet liegt, all unsere Gedankenprozesse zu erfassen, stimme ich dir zu.
Aber kann man das nicht ebenfalls genauso auf die Handlungsfreiheit übertragen? Somit wäre also unsern Handeln ebenfalls nicht frei oder habe ich da etwas verpasst?
Wenn du nicht gerade ein Frau im Irak bist, ist dein Handeln schon frei, zumindest aus psychologischer Sicht. Die liegt ja aber nunmal mindestens eine Emergenzebene (auf jeden Fall naturalistisch betrachtet) über die physikalischen Ebene, auf der sie basiert. Und von dieser aus betrachtet, bist du frei wie ein Stein in seiner Entscheidung, den Berg, auf dem er liegt, runterzurollen, oder oben liegen zu bleiben. Die Frage ist halt: Wovon willst du, dass dein Willen frei ist? Von Kausalität? Von Zufall? Willst du ein unbewegter Beweger sein wie Aristoteles’ Gott? Dann doch lieber frei von einer Illusion. 😉
Entweder bin ich gerade zu müde oder ich verstehe da etwas nicht. 😀
Auf psychologischer Emergenzebene ist unser Handeln frei, einverstanden. Auf physikalischer Emergenzebene sind wirs nicht, da ist nur ein bestimmter Zufall vorhanden (Soweit mich meine spärlichen Kenntnisse der Quantenmechanik nicht täuschen). Man könnte jetzt eigentlich alles ganz naiv auf die unterste Ebene runterbrechen und sturr sagen, mit Freiheit ist da nichts. 😛
Die Frage, von was man frei sein möchte, finde ich weitaus interessanter und deren Antwort führt im Endeffekt zum selben Ergebnis.
Genau so hab ichs gemeint. 🙂
Aber selbst wenn Psyche nicht auf darunterliegende Ebenen reduziert (meinetwegen sogar dualistisch bleibt), ist die Frage, wovon man frei sein will, ja im Prinzip noch die gleiche, weil mir da auch nur Kausalität und Zufall als Ursachen für Denken/Handeln einfallen. Wenn dir noch ne dritte Möglichkeit einfällt, sag Bescheid. ^^
Hab den eigentlichen Artikel mal angepasst. 🙂
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Ich denke, wer an die Willensfreiheit glaubt, der kann auch nicht anders, als er ist.
Hier mehr:
http://www.freidenker-galerie.de/philosophie-hirnforschung-und-willensfreiheit/
Schöne Grüsse aus der Freidenker Galerie
Rainer Ostendorf
Das sehe ich auch so. Und wir beide können nicht anders als den Willensfreiheitsgläubigen zu erzählen, dass wir es für Unfug halten. 😉
Schöner Artikel von dir btw. 🙂