Stress, Gesundheit und Motivation

Vieles, was uns Menschen ausmacht, ist evolutionär schon recht alt, und wir teilen es uns mit zahlreichen anderen Säugetieren. Mit vom Gehirn in bestimmten Situationen getriggerten hormonellen Reaktionen verhält es sich ähnlich. Die Ausschüttung von Stresshormonen (Die Hypophyse haut Acetylcholin, das die Nebennierenrinde dann dazu bringt, Glucocorticoide freizusetzen, raus.) ist in der Umgebung, in der wir eine lange Zeit unsere Selektionsdrücke abbekommen haben, gar nicht so verkehrt. Wenn man in eine Fight-or-flight-Situation gerät, ist es nützlich, dass der Körper alle möglichen Tätigkeiten, die da gerade nicht benötigt werden, zurückfährt. Dazu gehören unter anderem Regeneration, Immunsystem, Dopamineinlagerung, Eisprung, Sperma-Produktion, Verdauung, Calciumeinlagerung und viele mehr. Wenn man als Zebra gerade schnell weg muss, weil irgend so ein Löwe einem gerne die Eingeweide rausreißen möchte, gibt es andere Sachen, für die diese Energie besser verwendet wird. Dazu gehört z.B., dass der Blutdruck hoch geht, damit die Muskeln mit mehr Blut und Nährstoffen versorgt werden und man schneller weglaufen kann.

Danach ruht man sich allerdings wieder aus, und die ganzen anderen Körperfunktionen können weitermachen. Solche Stressreaktionen sind aber teilweise auch drin wenn man nur sieht, dass jemand anders gerade gejagt wird. Es ist ja gut, schonmal selbst vorbereitet zu sein.

Wir Menschen mit unserer tollen Phantasie schaffen es jedoch auch, einfach nur im Bett zu liegen, an irgendwas zu denken, das uns Sorgen bereitet (Job, Diskussionen, Löwen(?), Krankheiten, sozioökonomische Situation in der dritten Welt, usw.), und so ebenfalls Glucocorticoide auszuschütten, was nicht nur die Folge hat, dass wir nicht gut einschlafen, sondern auch gesundheitliche Probleme begünstigen kann (siehe die zurückgefahrenen Körperfunktionen weiter oben). Um das an sich selbst zu testen, muss man nichtmal seinen Blutdruck messen wenn man an eine Blumenwiese oder an Krieg denkt. Manche Leute merken es auch an einem trockenen Mund (Speichelproduktion gehört ja schon zur Verdauung) bevor sie eine Rede vor vielen Leuten halten müssen. Dass dauerhaft hoher Blutdruck nicht so schön ist, liegt unter anderem daran, dass die Wände der Arterien dadurch belastet werden, somit ganz kleine eventuell entzündliche Risse entstehen (die dann durch die reduzierte Regeneration auch nicht vollständig repariert werden), an denen sich dann die im Blut rumschwimmenden Fette (besonders die Trans-Fettsäuren) hübsch festsetzen können. Stress und Chips zusammen sind also top wenn man seine Chance auf einen Schlaganfall vergrößern möchte. 😉

Achja, und die Telomere (die Enden an den Chromosomen, die ähnlich wie die Plastikdinger am Ende von Schuhrimen das Ausfransen verhindern) lösen sich schneller auf wenn sie vielen Glucocorticoiden ausgesetzt sind. Da Telomere gern auch als Indikator für Zellalterung benutzt werden, kann man sie gut als Metapher dafür hernehmen, dass Stress alt macht. 😛

Diabetes, Osteoporose (siehe Calciumeinlagerung), Magengeschwüre (diese bakteriell bedingte Krankheit kann dann schlechter abgewehrt werden) sind nur einige Beispiele für körperliche Probleme, die durch Stress begünstigt werden. (Die offensichtlichen physiologischen Ursachen (Ernährung, Bewegung, sonstiger Lebenswandel, Vererbung usw.) existieren selbstständlich trotzdem weiterhin.) Mit dem anfangs erwähnten Rückgang der Einlagerung von Dopamin („Belohnungs-Neurotransmitter) ist auch schon ein (natürlich sehr vereinfachter) Übergang zu psychischen Problemen (in dem Fall Depressionen) da.

Dass Stress auch beim Lösen von kognitiv anspruchsvollen oder kreativen Aufgaben stört, kennen nicht nur viele von sich selbst, sondern auch in der Wirtschaft wird dieser wissenschaftliche Erkenntnis immer mehr ausgenutzt. Ingenieure leisten für ihr Unternehmen oft mehr wenn sie zufrieden, angstfrei und ohne ständige Unterbrechungen arbeiten können. In einen (sehr produktiven) Flow-Zustand kommen viele Menschen so am Besten. Bei der Lösung der Variante des candle-problems, bei der Kreativität gefragt ist, performed der Durchschnitt sogar besser wenn es mit der extrinsischen Motivation nicht übertrieben wird, die finanzielle Belohnung nicht zu sehr vom Ergebnis abhängig ist. Dan Pink erzählt da auch ganz nette Sachen zu, und Peopleware ist ein sehr gutes Buch zu dem Thema. 🙂 Sehr hoher Leistungsdruck oder gar Sklaventreibermethoden (Peitsche statt Zuckerbrot) sind nur in wenigen Jobs wirtschaftlich. (Manchmal passt Theorie Y halt besser als Theorie X. Vielleicht wird sie aber eher nur in Zeiten, in denen es den meißten gut geht, gerne angewandt?)

Dafür, wie man es nun in die Vagotonie, also dass der Parasympathikus (der Teil vom vegetativen Nervensystem, der den ganzen gesunden Regenerationskram macht) schafft, also dafür, wie man sich entspannen kann, gibt es kein Universalrezept. Manchmal hilft es, selbst andere Leute zu stressen. Paviane haben in vielen Gebieten beispielsweise echt viel Freizeit, weil die Nahrungssuche so gut funktioniert, und sie nutzen diese ausgiebig dazu, rangniederen Kollegen das Leben zu erschweren, besonders wenn sie vorher selbst von einem noch ranghöheren eins auf die Mütze bekommen haben. (Kommt uns das irgendwoher bekannt vor? ;)) Dieses Verhalten senkt den im Blut messbaren Stresslevel tatsächlich. Glücklicherweise hilft es aber ebenfalls, mit Leuten, die man mag zusammen zu sein. Das klappt auch bei Laborratten im Versuch. Frustfressen oder viel Bewegung ist bei den Versuchstieren auch beliebt, vorallem wenn kein anderes da ist. Wir Menschen wählen davon vielleicht gerne etwas wenn wir mehr so der introvertierte Typ sind.

Naja, aber was kann man bewusst tun? Da nicht nur die Psyche den Körper beeinflussen kann sondern auch umgekehrt, können Sachen wie progressive Muskelentspannung helfen. Einige Leute stehen auch total auf Meditation.

Oft muss es aber gar nicht so exlizit sein. Es reicht schon wenn die Entspannung implizit aus dem Alltag kommt. Da hilft es eventuell schon, wenn man einfach Dinge macht, die man gerne tut. Sport ist toll, funktioniert aber noch viel besser wenn auch Lust dazu hat, und er Spaß macht. In irgendwelche philosophischen Meta-Überlegungen abzudriften kann für manche Leute auch nützlich sein. Weitere Anregegungen findet man massig im Netz. Also, Chillen nicht verlernen. 🙂

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2 Gedanken zu „Stress, Gesundheit und Motivation

  1. Pingback: Projekte, Ziele, Training, Lernen und Gewohnheit | dem Dobi sein Blog

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