Natur-/Umweltschutz

Wie schon im Fleischfresserei-Artikel kurz erwähnt, ist Natur kein Wesen mit Absichten oder Leidensfähigkeit. Sie ist ein Wort für einen Zustand ohne Kultur, also eigentlich für das, was physikalisch in DNA kodiert ist und ohne anders geartete generationsübergreifende Informationsweitergabe existiert. Es ist jedoch nicht nur dem Mensch, der Kultur hat, auch andere (vorallem Säuge-)Tiere sind dafür bekannt. Es werden Werkzeuge, deren Herstellung und Handhabung von den Vorfahren erlernt wird, benutzt, um die Umwelt den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Die Fähigkeit, Kultur zu bilden, ist also eine natürliche Eigenschaft vieler Lebewesen. So gesehen ist alles, auch alles, was Menschen tun, „natürlich“, egal wie hochtechnologisch es wirkt. Selbst synthetisch hergestellte Stoffe sind so also nicht „unnatürlich“, und das nicht nur weil Penicilline beispielsweise auch in Pilzen vorkommt (da wurde es sogar entdeckt) und ein Vorläufer von Aspirin, das Salicin, unter anderem in Silberweiden und Stiefmütterchen gefunden werden kann. Da diese Unterscheidung bei genauerer Betrachtung also ihre Schwammigkeit offenbart, ist sie offensichtlich nicht geeignet, um irgendwelche Entscheidungen auf ihrer Basis zu treffen. Dazu kommt, dass man sich von dem Gedanken, dass Natur „gut“ und alles andere eher „böse“ sei, verabschieden muss. Es gibt höchstens Dinge oder Zustände, die in bestimmten Situationen für bestimmte Lebewesen nützlich oder schädlich sind.
Allgemeingültige Wertungen werden da nur von uns selbst nachträglich reininterpretiert, sind aber nicht inhärent vorhanden. Warum also die Natur schützen? „Wenn wir die Meere industriell leergefischt haben, können sich vielleicht Quallen besser vermehren, ist doch schön für sie. Außerdem ist der letzte Hai vermutlich nicht trauriger wenn er stirbt als wenn es noch ganz viele seiner Art gäbe.“ Wenn Arten aussterben erfahren Individuen nicht mehr Leid als wenn die Art weiterexistiert.
Auch die Vereinfachung, dass Veränderung der Umwelt, die der Mensch verursacht, schlecht seien, und man einen gewissen Zustand erhalten müsse, greift nicht, denn Veränderung ist ein unvermeidlicher Teil des Ganzen. 99% aller Arten, die je auf der Erde gelebt haben, sind ausgestorben, und das war schon so, bevor der Mensch anfing, die Erde im großen Stil zu bevölkern. Außerdem ist ein „Es ist so / war schon immer so.“ sowieso noch lange kein „Es soll so sein.“ (vgl. Humes Gesetz).
Wenn wir also von Umweltschutz sprechen, geht es eigentlich um Selbstschutz (im Gegensatz zum Naturschutz, der auch Dinge schützen will, die für den Menschen nicht so relevant sind). Wir wollen eine Umweltsituation, die für uns (und vielleicht folgende Generationen) irgendwie nett ist. Ob frei lebende Geparden dafür nötig sind, muss jeder selbst entscheiden. Die Werte weisen wir also subjektiv zu. Ich persönlich finde z.B. die erwähnten Tierchen ja echt stylisch, vorallem wenn sie mit über 100 km/h durch die Gegend fetzen, und würde mir wünschen, dass sie das in Zukunft auch noch tun. Darüber, was besonders schützenswert ist, werden sich jedoch wohl nie alle einig sein. Selbst auf die Frage, wie wenig wir unsere Kosten auf zukünftige Generationen externalisieren dürfen („Sollen die sich doch um unseren Müll kümmern, wir verbuddeln ihn jetzt erstmal.“), gibt es keine eindeutige Antwort, auch wenn es gut möglich ist, dass unsere (Ur-)Enkelkinder uns später einmal ziemlich vorwurfsvoll angucken werden.
Man kann Dinge schützen, weil man sie schön, interessant, erforschenswert, praktisch, erholsam oder sonstwie schützenswert findet. Was nun letztendlich im großen Stil getan wird, kann nur im Konsens entschieden werden, wobei man sich natürlich (höhö) dann auch Gedanken machen muss, wie man Leute, die nicht intrinsisch motiviert sind, extrinsisch dazu bringen kann, mitzuziehen. Man kann beispielsweise jahrelang predigen, dass es doof ist, leere Cola-Dosen aus dem Auto zu werfen, jedoch die simple Einführung des Dosenpfands löst das Problem wesentlich effizienter, da nun einfach ein direkter Anreiz da ist. Und wenn man seine Dosen doch lieber in der Gegend liegen lässt, findet sich eventuell jemand, der sie beim zufälligen Vorbeigehen aufsammelt, weil er den Pfand kassieren möchte. Solche eleganten Lösungen, die menschliches Zufallsverhalten (zumindest teilweise) automatisch selbst ausgleichen, finde ich toll. 🙂

Fleischfresserei

Zum Nachdenken über das Thema durch eine Diskussion im Trickingforum (und immer mal wieder durch einen guten Freund) angeregt schreibe ich nun mal auf, was mir diesbezüglich so durch den Kopf geht.

Der Einfachheit halber, differenziere ich in diesem Artikel nicht zwischen den verschiedenen Derivaten des Vegetarismus (Pescetarismus usw.) sondern beschränke mich auf „alles“, „nur kein Fleisch“ (ovo-lacto-vegetarisch) und „gar keine Tierprodukte“ (vegan).

Wichtig finde ich, die Argumente einzeln zu betrachten und nicht unnötig zu vermischen. Gerade wenn man moralisch für etwas motiviert ist, kann es passieren, dass man in einigen eigentlich sachlichen Fragen sonst unsachlich wird. Unser frontaler Cortex verliert den Boxkampf (The thrilla adjacent to the amygdala) gegen das limbische System ja manchmal ganz gerne. 😉 Also, auf geht die wilde Fahrt.

Viele Menschen entscheiden sich für eine fleischlose Ernährung, weil sie ihrer Gesundheit etwas gutes tun wollen. Immerhin gibt es ja genug Studien, die eine starke Korrelation zwischen erhöhter Lebenerwartung, besseren Blutwerten und vegetarischer Ernährung zeigen. Das, was da gemessen wird, ist jedoch keine Kausalität. Um die zeigen zu können, müssten viele Leute randomisiert den Testgruppen zugeteilt werden (siehe Korrelation und Kausalität) und auch dann hätte man in dem Fall noch das Problem, dass die Leute ja wissen würden, in welcher Gruppe sie wären. Die genannte Korrelation kann also anders kausal bestehen. Vielleicht wird man ja nicht gesünder wenn man weniger Fleisch isst, sondern Leute, die auf ihre Gesundheit achten, werden im Schnitt öfter Vegetarier. Man würde also im Endeffekt gesundheitsbewusste Vegetarier mit auf-Gesundheit-scheissende Fleisch-Essern vergleichen. Wer dann hier gesundheitstechnisch besser abschneidet, ist kaum überraschend.

Fleisch, das man momentan so kaufen kann, ist oft mit Antibiotika belastet, und die Tiere haben aus wirtschaftlichen Gründen nicht wenige Wachstumshormone bekommen. Vermutlich wäre es besser für einen, wenn dies alles nicht der Fall wäre, jedoch sind das Eigenschaften der spezifischen Produkte und nicht von Fleisch generell als Nahrungsmittel.

Muskelheinis (Schnell-)Kraftsportler, von denen ich zufällig einige kenne, sagen hingegen gerne mal, dass sie ohne Fleisch ihre sportliche Leistung gar nicht erbringen könnten (Proteine, Vitaminkombination usw.) und argumentieren damit, dass ja fast alle Leute, die richtig stark/breit sind, Fleisch essen. Aber auch das ist wieder nur Korrelation und keine Kausalität. Zumindest aus meinem amateurhaften Wissen spricht nichts dafür, dass es ohne Fleisch physiologisch nicht genau so gut ginge (wenn man nur ein klein Bischen Ahnung von Ernährung hat). Ganz ohne Tierprodukte, also vegan, ist es schon etwas aufwendiger. Es fällt ja nicht nur der gute Magerquark als Proteinquelle weg. 😉 Da muss man dann halt schon etwas Ahnung haben und auf einige Sachen achten (biologische Wertigkeit durch Kombinieren von verschiedenen Aminosäureprofilen erhöhen usw.). Trophologische Argumente sind oft allerdings eh nicht die entscheidenden.

Schwerwiegender finde ich die ethischen Aspekte. Tiere, die wir so essen (nicht nur Säugetiere), sind Lebewesen mit komplexen Zentralnervensystemen, denen jeder, der sie kennt, auch soetwas wie Leidensfähigkeit attestieren würde. Wer das noch nicht getan hat, dem empfehle ich, sich mal ein paar „Schockerdokus“ anzugucken, in denen man einiges über die industrielle/intensive Tierhaltung lernt. Wenn Menschen Rechte haben, wieso sollten nichtmenschliche Tiere dann keine haben? – „Aber Menschen sind doch von Natur aus Omnivore und keine Herbivore. Guck mal, wir haben Eckzähne, unsere Vorfahren mit den Höhlenmalereien aßen auch Fleisch und andere Primaten tun es auch. Die Natur will es so.“ – Zunächst einmal will die Natur gar nichts. Die Natur ist kein denkendes Wesen. Natur ist nur ein Wort für einen angeborenen Zustand (also einen ohne Kultur), in dem sich Lebewesen zunächst befinden. Klar sind Menschen „von Natur aus“ keine reinen Pflanzenfresser. Das faktische sollte aber keine normative Kraft haben (hihi). „Natürlich“ ist auch, dass man ein Krüppel bleibt wenn man sich einmal das Bein bricht. Hier ruft jedoch kaum einer „So soll es dann halt sein.“, sondern ist froh, dass wir dank Kultur (in dem Fall Wissenschaft/Medizin/Technik) etwas dagegen unternehmen können. 😉 So, nun können wir unserem Mitleid für die Nutztiere (sofern wir denn welches aufbringen) freien Lauf lassen. Und dass man mit jedem Stück Fleisch, dass man kauft, den Hersteller und seine Methoden unterstützt, ist ja wohl jedem klar.

Die Erzeugung von Tierprodukten benötigt mehr Fläche und andere Rohstoffe pro hinterher für den Menschen konsumierbarer Kalorie als der Anbau pflanzlicher Nahrung. Durch den Umstieg auf diese würde es also in diesem (vereinfachten) Modell mehr Essen für jetzt noch hungernde Teile der Weltbevölkerung geben. Wie sich der komplexe Weltmarkt tatsächlich verhalten würde (sinkende Nachfrage -> niedrigere Preise -> neue Nachfrage anderswo?) ist jedoch schwer vorherzusagen. Solche Systeme sind oft recht chaotisch. Dazu kommt, dass nicht alle Flächen, die als Weide nutzbar sind, sich auch für den Ackerbau eignen. Vollständig ist diese Frage also leider nicht zu beantworten. Rein ökologisch kann man noch einwerfen, dass Kühe ziemlich viel Methan auspupsen, was zum Treibhauseffekt (Jaja, Hoax, ich weiß. ;)) beiträgt. Versuchen, sie deshalb alle aufzuessen, hilft dabei natürlich nicht, sondern erhöht den Zuchtbestand nur noch weiter.

Der letzte Aspekt, der vorallem für Leute, die Tierprodukte (insbesondere Fleisch) essen, ein wichtiger ist, ist der Genuss, auf den man eventuell nich verzichten möchte, auch wenn man Geschmack wie andere Gewohnheiten auch, durch Gewöhnung umlernen kann. Google einfach mal nach „veganische Rezepte“.

Alles in Allem spricht logisch gesehen eigentlich kaum etwas dafür, Fleisch zu essen, und vieles dagegen. Trotzdem bleibt das Ganze für die meisten eher eine Gefühlsentscheidung. Fleischfresser wie ich (Überraschung? ^^)) priorisieren ihren persönlichen Luxus einfach über den ethischen und ökologischen Argumenten. Moralgefühle sind nunmal nicht immer konsistent. (siehe lineare Moralregression) und durch unbewusste Verdrängung kann man sich wunderbar zufrieden asig verhalten. 😀 Ähnliches tun wir ja auch wenn wir mit dem Auto irgendwo hin rasen und somit schön dafür sorgen, dass weniger fossile Rohstoffe in der Erde und mehr Abgase in der Atmosphäre sind, oder wenn wir uns neue Klamotten kaufen, die von ausgebeuteten Kindern zusammengenäht wurden.

Dass ethisch motivierte Vegetarier/Veganer nicht noch wesentlich penetranter versuchen zu missionieren, finde ich übrigens bemerkenswert tolerant von ihnen. Immerhin tut man ja etwas, das gegen ihr Moralgefühl geht. Wenn mir jemand erzählen würde, dass er etwas tut, das gegen meins geht, wie z.B. dass er auf der Strasse gerne kleine Kinder anschreit, weil er Spaß dran hat, wie sie sich erschrecken und losheulen, würde ich vermutlich ziemlich energisch versuchen, ihn davon zu überzeugen, es sein zu lassen. 😉

Vielleicht haben wir ja aber auch Glück und können die Technik zur Herstellung von In-Vitro-Fleisch soweit verbessern, dass sich damit ein preiswerteres, gesünderes und umweltverträglicheres Produkt anböte. Dann würde es vermutlich auch nicht lange dauern, bis es sich durchgesetzt hat, und zumindest dieses Problem wäre zur Zufriedenheit aller gelöst. 🙂