Da man erkenntnistheoretische Grundlagen wunderbar anhand von provokanten Beispielen erklären kann, tu ich nun doch einfach mal. 🙂
Theorien sind Aussagen über die Wirklichkeit. Manche davon sind wissenschaftlich, andere nicht. Bei dieser Unterscheidung geht es gar nicht darum, ob so eine Aussage wahr ist oder nicht, sondern darum, ob man überhaupt herausfinden kann, ob sie wahr ist oder nicht.
Wenn ich z.B. sage, dass in meinem Flur ein rosa Einhorn steht, dann ist das eine wissenschaftliche Theorie.
Du kannst hingehen und nachschauen. Wenn da nichts ist, war meine Aussage falsch. Wenn da ein Einhorn rumsteht, kannst du es angucken, streicheln, füttern, reiten und alles mögliche machen, um sicherzustellen, dass es wirklich ein Einhorn ist. Diese Überprüfung kann dann von jedem wiederholt werden. Dann ist man sich einig. „Ja, da steht ein rosa Einhorn in Tobias‘ Flur. Die Theorie ist wahr.“ oder „Nein, da ist nichts. Tobias‘ Theorie ist falsch.“
Dass eine Aussage (Theorie) durch Nachprüfen (Experiment) widerlegt werden könnte, nennt man empirische Falsifizierbarkeit.
Dazu kommt, dass ein Experiment zuverlässig von den unterschiedlichsten Versuchsleitern (in dem Fall bist du das, weil du hingehst und nachguckst) bestätigt werden können muss (Reproduzierbarkeit).
Wenn meine Aussage allerdings „In meinem Flur steht ein unsichtbares rosa Einhorn, das normalerweise nur mit mir redet, ansonsten aber nicht in die physikalische Welt eingreift.“ lautet, dann ist das eine unwissenschaftliche Theorie, weil sie durch kein Experiment widerlegt werden kann.
Wenn du hingehst, nachguckst, und nichts findest, bestätigt das meine Theorie nur; das Einhorn ist ja unsichtbar. 😛
Wenn du dir selbst sehr wünschst, dass es Einhörner gibt, und du hingehst, nachguckst, und dann meinst, irgendwas vierbeiniges stehen zu sehen, bestätigt das meine Theorie ebenfalls.
Das ist dann allerdings nicht wissenschaftlich, denn egal wie das Nachgucken ausgeht, die Theorie „stimmt“ immer, weil sie so formuliert ist, dass sie prinzipiell gar nicht widerlegt (falsifiziert) werden kann.
Dass die erste Theorie (falsifizierbar) nützlich ist und die zweite (nicht falsifizierbar) eher weniger, leuchtet vermutlich ein.
Was hat das mit Gott zu tun?
Die eigentliche Gottes-Hypothese wäre wissenschaftlich. Sie könnte ungefähr folgende Aussagen machen:
1) Gott ist logisch für den Ursprung der Welt notwendig.
2) Gott hat das Leben erschaffen.
3) Die Bibel ist das Wort Gottes.
4) Gott erhört unsere Gebete und greift dementsprechend in den Verlauf der Welt ein.
5) Unsere Moral kommt von Gott.
6) Gute/Gläubige Menschen kommen in den Himmel, schlechte/ungläubige in die Hölle.
7) Da Punkt 6 mittlerweile für viele so nicht mehr zu gelten scheint, hier noch eine andere Variante: Menschen haben (unsterbliche) Seelen.
So, also mal ran an die wissenschaftlichen Aussagen.
1) Wo soll das Universum herkommen, wenn nicht von Gott?
Gott als Antwort für das Ursprungsproblem löst es nicht, sondern verschiebt die Frage „Wo kommt das Universum her?“ nur nach „Wo kommt Gott her?“. Die verteidiger dieser der Gottestheorie sagen dann „Gott war halt schon immer da, lässt sich logisch nicht erfassen.“. Die Auflösung des Münchhausen-Trilemmas durch so ein Dogma ist leider nicht besser als unsichtbare einhörner.
2) Wir wissen mittlerweile, wie das mit der Evolution so grob funktioniert. Selbst wenn nicht, wäre die Aussage, dass Gott es war, allerdings auch nicht überprüfbar, oder bietet die Aussage „Gott hat das Leben geschaffen.“ irgendein Experiment an, mit der man sie widerlegen könnte? Mir zumindest ist keins bekannt.
3) Dass dies nicht so ist, und wie die Bibel entstanden ist, wissen wir mitlerweile. Ausserdem gibt es in der Bibel viel zu viele Widersprüche, als dass sie die direkten Gedanken eines perfekten Schöpfers sein könnten.
Hier sind nur ein paar in spaßiger Form aufgezählt: http://www.youtube.com/watch?v=RB3g6mXLEKk
4) Es wurde eine umfangreiche Studie durchgeführt, die untersucht hat, wie sich Krankheitsverläufe durch Beten beeinflussen lassen. Patienten in Krankenhäusern wurden in Gruppen eingeteilt. Für einen Teil wurde in Kirchen bei Gottesdiensten gebetet, für andere nicht. Die Pfarrer haben gerne mitgemacht, weil sie ja von der Effektivität überzeugt waren. Im Endeffekt kam dabei raus, dass die Kranken, für die gebetet wurde, im Schnitt nicht länger gelebt haben oder eher geheilt wurden als die, für die nicht gebetet wurde. Die Gottestheoretiker sagten dazu dann „Gott lässt sich halt nicht prüfen.“, womit dieser Punkt dann auch in die unwissenschaftliche Kategorie verschoben wurde.
5) In der Bibel, besonders in den 10 Geboten, stehen Sachen, an die wir uns meist halten. Dass im Kontext dazu steht, dass sich das nur aus Leute des eigenen Stammes bezieht, lassen wir mal ausser Acht. In der Bibel steht aber auch, dass man Leute, die Sonntags Holz sammeln, steinigen soll und all sowas. Daran halten wir uns aber nicht. Daraus folgt, dass wir unsere Moral nicht aus der Bibel beziehen, sondern uns aus diesem Buch höchstens die Dinge raussuchen, die zu unserer Moral passen, womit die Bibel als Grundlage überflüssig ist, weil wir ja offensichtlich ohne sie entscheiden, was wir für richtig und was für falsch halten (siehe: „You say… God says…„)
6) Überprüfbar ist auch hier wieder nichts. Aber mal angenommen es wäre tatsächlich so, dass irgendein Gott die Leute, die an ihn glauben, belohnt und die anderen bestraft. Könnte ja sein, glauben kostet nix, also glauben wir mal lieber zur Sicherheit (Pascalsche Wette), weil wenn wir mit unserem Unglauben falsch lägen, wäre das ja doof.
Richard Dawkins hat darauf mal gut geantwortet: http://www.youtube.com/watch?v=6mmskXXetcg In Kurz:
Quintessenz: Klar könnten Atheisten falsch liegen. Christen könnten falsch liegen und Moslems könnten recht haben. Es könnten beide falsch liegen und die Griechen könnten mit Zeus, Poseidon und co. richtig gelegen haben. Die Germanen hätten mit Odin, Thor usw. recht haben können. Dann würden alle anderen in irgendwas höllenmäßiges kommen. Nur weil man zufällig in einer Umgebung geboren wurde, in der gerade eine von vielen Religionen verbreitet war, macht das diese eine nicht richtiger.
Wenn Gott nicht nach gläubig/ungläubig im Jenseits richtet, sondern nach „gut“ und „böse“ (was auch immer das sein soll), muss man nicht glauben. Dann gings auch so gut, wenn man keinen Mist baut.
Aber auch diese Aussage könnte kein Bisschen durch irgendeinen Versuch widerlegt werden, und ist damit unwissenschaftlich.
7) Die Unsterblichkeit und nichtmal die Existenz von soetwas wie einer Seele kann irgendwie überprüft werden. Damit ist auch dieser Hoëcker raus. 😉
Im Endeffekt bleiben von Gott also nur Widersprüche bzw. Aussagen, die nicht falsifiziert werden können, übrig, womit Gott kein Stück wahrer ist als unsichtbare rosa Einhörner.
Das alles sagt natürlich nichts darüber aus, warum Menschen religiös sind oder werden oder ob es für den Einzelnen oder für die Gesellschaft nützlich ist, religiös zu sein (oder ob das Denkmuster des blinden Glaubens eher gefährlich werden kann, weil es sich auf andere Bereiche ausweiten kann). Es geht nur um den Wahrheitsgehalt der eigentlichen Aussagen, die von Religionen (hier im Beispiel vom Christentum) getroffen werden.
Eine logische Folge des beschriebenen Vorgehens ist, dass sich Nichtexistenzen grundsätzlich nie beweisen lassen. Derjenige, der die Existenz von etwas postuliert, steht in der Beweispflicht, bzw. in der Pflicht, eine Möglichkeit zur überprüfung anzubieten.
Es ist also nicht die Aufgabe von Atheisten, die Nichtexistenz Gottes zu beweisen. Das ist nämlich nicht möglich. Die Nichtexistenz meines unsichtbaren rosa Einhorns lässt sich ja ebenfalls nicht beweisen.
Echte Beweise gibt es eh nur in Strukturwissenschaften, also welchen, in denen man logische Implikationen, die sich aus vorher festgelegten Axiomen ergeben, untersucht (Mathematik usw.). In Naturwissenschaften, in denen man sich jedoch bewegt, wenn man etwas über die Realität ausagen will, geht es nur um hohe Wahrscheinlichkeiten, dass etwas wahr ist. Diese kommen dadurch zustande, dass die zu untersuchende Theorie präzise Vorhersagen, die oft überprüft und dabei nicht widerlegt wurden, macht. Ergebnisse von Experimenten, die eine eine Theorie in dieser Weise „bestätigen“ nennt man im Englischen „evidence“. Im Deutschen ist mir leider kein passendes Wort dafür bekannt. „Hinweis“ („hint“) ist zu schwach und „Beweis“ (proof) zu stark.
Wenn man jeder Aussage logische Konsistens, Falsifizierbarkeit und bereits versuchte und gescheiterte Widerlegung abverlangt, ist man auch ziemlich schnell befreit von anderen Vorstellungen, wie z.B. Gespenstern, dem Funktionieren von Horoskopen, anderen Wahrsagereien, Karma und allem anderen möglichen esoterischen Ballast, denn all diese Theorien sind entweder bei der Überprüfung gescheiert oder lassen sich erst gar nicht überprüfen.
Im ersten Fall sind sie einfach falsch. Im zweiten Fall sind sie wertlos, um zu Erkenntnis über die Wirklichkeit zu gelagen.
Die Aussage „Atheismus ist auch eine Form von Glauben.“, die manchmal gern trotzig getroffen wird, ist übrigens nicht korrekt. Atheismus ist so sehr eine Form von Glauben wie Glatze eine Haarfarbe ist. „Ich glaube nicht, dass es einen Gott gibt.“ ist etwas anderes als „Ich glaube, dass es keinen Gott.“, denn nur zweites wäre ein Art Glauben. Wer drauf besteht, kann das erste auch strengen Agnostizismus nennen, aber über mein unsichtbares rosa Einhorn sagt ja auch kaum jemand „Kann sein, keine Ahnung.“ sondern eher „Pff, nö.“. Man ist halt so sehr Atheist wie auch Aeinhornist. 😉
Außerdem würden sich die meisten Atheisten (zumindest die, die ich kenne) bei entsprechender empirischer Beweislage schnell überzeugen lassen. Umgekehrt ist das jedoch eher selten der Fall, denn sonst würden die meisten Gläubigen, die sich damit ernsthaft beschäftigen, ja bald aufhören, zu glauben. (Da wird dann sogar trotzdem versucht, logisch zu argumentieren, was auf der Basis aber kaum möglich ist. Wenns um andere religiöse Kulte geht, funktionierts dann aber doch wieder. ^^) Und wenn er doch eintritt, ist das meist ein langwieriger und anstrengender Prozess. Immerhin muss man oft viele Jahre der Indoktrination hinter sich lassen. Und mit Glauben an ewiges Leben, absoluten Sinn im Universum und einem mit übernatürlichen Kräften, der immer auf einen aufpasst, ist es ja auch irgendwie gemütlicher. Vielleicht hilfts ja, dran zu denken, dass Gemeinschaft, Rituale und Wohltätigkeit, Liebe, Kunst, Musik und ganz viele andere nette Dinge wunderbar auch ohne Religion funktionieren. 😉