Dooooooooooooooooooof.

Früher hatte ich manchmal das Gefühl, dass die ganze Welt irgendwie Verarsche sein muss, so dämlich wie die Gesellschaft sich als Ganzes oft verhält. Mit etwas Spieltheorie kann die Entstehung einiger Muster jedoch ansatzweise erklärt werden.

Damit dieser Artikel Sinn ergibt, ist es nötig, dass du das prisoner’s dilemma, dass ich im Artikel „Rache ist ja soo selbstlos… 😉“ beschrieben habe, verstanden hast. Also, falls das gerade nicht präsent ist, kannst du eben nochmal kurz nachlesen. Ich warte hier auf dich. 🙂

Aus dem Artikel „Zwei Systeme und nur ein Kopf“ wissen wir ja, dass Menschen oft nicht rational entscheiden. Zusammen mit der Vorstellung der Linsensuppe im Kopf stellt sich die Frage, ob humanes Verhalten sich überhaupt spieltheoretisch (also mathematisch) sinnvoll und alltagsrelevant untersuchen lässt. Antwort: Ja, das tut es. Denn auch wenn Gefühlentscheidungen in vielen Kontexten unlogisch erscheinen, hat sich der genetisch kodierte Teil unseres Verhaltens über Millionen von Jahren durch Selektion, deren Funktionsweise sehr gut logisch zu ergründen ist, herausgebildet. Ein paar Beispiele dafür gibt es im Artikel „Evolution und Folgen des parental investments„. Dazu kommt, dass Selektion nicht nur auf genetischer Ebene stattfindet, sondern auch beispielsweise zwischen Unternehmen. Es sind natürlich alles nur genäherte Modelle, die jedoch nützlich sein können. So, aber nun genug des Vorgeplänkels; auf geht’s! 🙂

Adam Smith hat uns ja beigebracht, dass in einem freien Markt alle profitieren wenn jeder zu seinem eigenen Besten handelt. Ein Anbieter einer Ware will Profit machen, und gibt sich deshalb Mühe, mit einem guten Preis-/Leistungsverhältnis zu glänzen, denn nur dann kaufen die Kunden, die für sich selbst ja auch nur gutes wollen, auch bei ihm. Durch diese Konkurrenz zwischen den Anbietern haben die Kunden, also die Gesellschaft, es maximal schön. Der erwähnte Schottische Ökonom nannte diese Kraft, die Allen zu Gute kommt, die „unsichtbare Hand“ des Marktes.

Diese Hand langt manchmal aber auch voll daneben; besonders in Märkten mit asymetrischer Information, also in diesem Fall wenn der potentielle Kunde die Qualität der Produkte nicht so gut wie der Anbieter kennen kann. Ein klassisches Beispiel dafür ist der Gebrauchtwagenmarkt, aber viele andere Bereiche sind ebenso passend. Beispielsweise beim Schnitzelkauf im Supermarkt weiß man auch nicht unbedingt, wie es um die Qualität bestellt ist. Und schon haben wir ein prisoner’s dilemma! Ja wo das denn? Zwischen den Anbietern! Wenn alle gute Produkte auf den Markt werfen, reguliert sich der Preis auf ein bestimmtes Niveau ein (Marktgleichgewicht). Die PD-Spieler kooperieren. (Keiner der Anbieter schummelt, indem er getarnten Müll einbringt.) Wenn einer jetzt jedoch Schrott (wertloses Auto, extrem billig produziertes Fleisch usw.) hervorzaubert, kann er damit zunächst mehr Gewinn machen, da er es zum gleichen Preis verkaufen kann, jedoch weniger Herstellungskosten hatte. Im PD-Jargon defektiert er also. Den Kunden wird die sinkende Durchschnittsqualität (erhöhte Chance, Mist zu erwischen) bewusst, weswegen er nicht mehr bereit ist, so viel zu bezahlen. Der Gesamtpreis auf dem Markt (auch der, der qualitativ hochwertigen Produkte) sinkt. Die Defektion hat also ganz klassisch allen PD-Spielern geschadet. Um Kooperation zur evolutionär stabilen Strategie zu machen, ist Rache gut. Das ist hier aber nicht so einfach. Damit das ganze nicht total eskaliert, hilft leider nur Kontrolle und informierte Kunden, die irgendwie herausfinden, welche Anbieter ihnen die Montagsautos und das Gammelfleisch andrehen wollen (Screening). Die Spieler, die auf Qualität setzen, können das zwar durch Gütesiegel zeigen (Signaling), aber das klappt auch nicht immer. Self-Selection in Form von hochwertigen Verträgen (z.B. zwei-Jahres-Garantie für Gebrauchtwagen) bietet sich auch nicht immer an. Da „beschissen“ zunächst kurzfristig die dominante Strategie (die durch auf reinem Preisvergleich basierenden Kaufentscheidungen der Kunden auch noch gefördert wird) sein kann, lässt sich nicht vermeiden, dass sie auch gespielt wird. Eventuell pendelt sich das Nash-Gleichgewicht irgendwo bei „ein Bischen Mist, aber nicht zu viel“ ein. Je nach aktueller Phase im Kondratjew-Zyklus (falls es sowas tatsächlich geben sollte) könnte es auch schwanken. Ich stelle mir vor, dass während eines Aufschwungs mehr kooperiert wird als während eines Abschwungs.

Themensprung -> Presse/Medien. – Es wäre ja toll wenn alle gewissenhaft und wahrheitsgetreu berichten würden, jedoch wäre auch das kein evolutionär stabilder Zustand. Der Selektionsdruck kommt hier von den Konsumenten. Anbieter, die das drucken/zeigen, was am meisten gekauft wird, verdienen mehr als die, die drucken/zeigen, was wahr/nützlich/sinnvoll ist. Wenn die Leute nützliche Wahrheit lesen/sehen wollen, wird es die (oder etwas, das auch auf den zweiten Blick noch danach aussieht) auch geben; wenn nicht, dann aber auch nicht (zumindest nicht so viel.) Damit die schönen Geschichten nicht zu absurd wirken, ist der Ursprung machmal authentisch, jedoch die Tatschen sind so verzerrt, dass nur noch wenig wiederzuerkennen ist. Ein Beispiel dafür ist, wie bei gefundener Korrelation oft von angeblicher Kausalität berichtet wird. Es verkauft sich einfach besser.

Dieses Muster jetzt auf die Politik zu übertragen ist einfach: Welcher Politiker wird sich mehr durchsetzen (gewählt werden)? Kandidat A, der alle seine Energie da rein steckt, sinnvolles zu sagen und zu tun, oder Kandidat B, der seine Energie mehr darein steckt, die Wähler dazu zu bringen, ihn zu wählen, indem er ihnen erzählt, was sie hören wollen? Auch hier ist die Strategie von A wieder keine evolutionär stabile, weil sie von der von B flott invadiert wird. Merkst du, dass das nicht das Gleiche ist wie „Politiker… Alle an die Wand stellen…“, das mein Schwiegeronkel gerne mal sagt? Es geht stattdessen darum, dass auch wenn nur 600 von 30000 Politikern so sind, es sein kann, dass genau diese in einer Demokratie nach oben gespült werden. Den Auftrieb dafür liefern wir selbst.

Ein weiteres „schönes“ ist das Beitragsdilemma. Angenommen, es gibt ein Ziel, dass (fast) alle eigentlich gerne erreichen wollen, wie beispielsweise saubere Luft (Klimaschutz) oder Meere, in denen langfristig noch genug Fische sind. Jeder hätte einen Vorteil daraus. Wenn man als Staat aber selbst nicht so sehr mitmacht bei der Klimasache, spart man viel Geld und profitiert ja trotzdem davon, dass die anderen schützen. Die Erhöhung des globalen Gesamtschadens, die man dadurch verursacht, wiegt den lokalen wirtschaftlichen Vorteil nicht auf, genau wie bei der Fischindustriefirma, die dann doch alles rausholt, was geht. Lokale „Schlauheit“ bedeutet oft globale Dummheit. Das Ganze nennt sich dann Tragik_der_Allmende.

Hilft es, das zu wissen? Naja, muss nicht, aber zumindest ich ich fühle mich etwas besser wenn ich verstehe, warum das, was doof ist, doof ist. Und wenn das auch nichts mehr nützt, dann vielleicht nocht das Bewusstmachen, dass Willensfreiheit eine Mär ist. 😉

„Ich glaube nicht an die Freiheit des Willens. Schopenhauers Wort: ‚Der Mensch kann wohl tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will‘, begleitet mich in allen Lebenslagen und versöhnt mich mit den Handlungen der Menschen, auch wenn sie mir recht schmerzlich sind. Diese Erkenntnis von der Unfreiheit des Willens schützt mich davor, mich selbst und die Mitmenschen als handelnde und urteilende Individuen allzu ernst zu nehmen und den guten Humor zu verlieren.“ – der schlaue Albert

Zu guter Letzt sei nochmal am Beispiel der nicht nachhaltigen Fischerei gezeigt, dass man nicht einfach nur im Stau steht, sondern selbst der Stau ist: Wenn wir mit unseren Kaufentscheidungen bewusst darauf einwirken würden, zu fördern, was wir eigentlich für gut befinden („Geld ist Stimmzettel.“ und so), würden sich einige Probleme lösen. Aber wer hat schon tatsächlich den Greenpeace-Einkaufsratgeber im Supermarkt dabei…

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4 Gedanken zu „Dooooooooooooooooooof.

  1. Hi Tobi,

    der Titel des Beitrags wirkt wie ein Magnet und der erste Absatz hat mich dann vollkommen gefangen. Schöne Erklärung und klasse Gedanken, doch die beste Antwort bzw. Lösung steht im vorletzen Absatz 😉 die Befreiung der Willensfreiheit.

    Übrigens finde ich deine WhiteBoardSkizze großartig und das lernen mit solchen Schaubildern klappt klasse, habe auch so ein Ding ;).

    Darüber hinaus denke ich aus gegebenem Anlass beim Lesen deiner Artikel immer wieder über deine Gedanken und deine Denkstrukturen nach und überlege ob du genau die auch bei deiner Arbeit so gut nutzen kannst, wenn dem so ist und ich gehe davon aus, weil dass was ich über Informatik weiß dem schon sehr nah kommen kann, deine Vermutung über unsere Ähnlichkeit wieder einmal bestätigt wird (auch abgesehen der Testergebnisse) 😉 ….

    Schöne Grüße und angenehme Woche noch
    Marius

    • Hi Marius,

      danke für den Comment. Freut mich natürlich sehr, dass es dir gefällt. Dass wir beide in ICQ mal kurz dieses Thema hatten, war sogar der Anlass, den Artikel zu schreiben. Damals hatte ich mir direkt ’ne Notiz gemacht, dass das ’nen netten Post geben könnte. 🙂

      Ja, bei meinem Job ist es unter anderem auch nützlich, wenn man Systeme analysieren und Vorgänge abstrahieren kann. Von daher passt’s schon ganz gut zusammen. 🙂

      Schöne Grüße zurück
      Tobi

  2. Der Titel hat mich ebenfalls sehr aufmerksam auf diesen Beitrag gemacht 🙂 , immer wieder eine Bereicherung für mich wenn ich deine Artikel lese Dobi. Mach bitte weiter damit.

    Viele Grüße

    Leshy

  3. Pingback: “Ich weiß hundertprozentig, dass die guten Süßkartoffeln hinten liegen.” | dem Dobi sein Blog

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