„Wenn wir etwas erleben, können wir das, was geschieht, objektiv wahrnehmen, und es im Nachhinein (zumindest den Teil davon, den wir nicht vergessen haben) korrekt widergeben.“ FALSCH! 😀
Zunächst einmal zum Erleben: Wir stehen nicht in direktem Kontakt mit der externen Welt. Wir nehmen durch unsere Sinne nur Hinweise wahr, die wir interpretieren. Aus diesen Interpretationen bauen wir uns dann ein internes Modell zusammen. Erleben ist also kein rein passiver sondern ein konstruktiver Prozess.
Richtig deutlich wird das jedoch erst, wenn dieser Prozess offensichtlich falsche Ergebnisse produziert. Der Ames-Raum, ist ein gutes Beispiel dafür, wie unsere Erfahrung mit rechteckigen Räumen zu einer Interpretation, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, führen kann. Des weiteren erfinden wir ähnlich wie beim blinden Fleck im Auge Dinge dazu, die wir erwarten.
Ob, diese Illusion nur bei Lesern, die auf Frauen stehen, funktioniert, weiß ich nicht. 😉 Aber der Witz ist halt, dass die Damen gar nicht so nackt sind, wie man meint.
Wenn wir Dinge, zu denen mehrere interne Modelle passen würden, wahrnehmen (und sie nicht einfach verpassen), entscheiden wir uns für eins davon. Auf folgendem Bild sehen wir in einem Moment auch nur entweder eine Ente oder einen Kaninchen.
In Alltagssituationen mit mehreren möglichen Interpretationen entscheiden wir uns unbewusst oft für eine, womit wir auch schonmal gut daneben lieben können. Diese Illusionen sind übrigens nicht nur auf den visuellen Bereich beschränkt.
Aber wie sieht es mit Erinnerung aus? Die Tatsache, dass wir selbst den kleinen Anteil vom elektromagnetischen Spektrum, den wir eigentlich hätten sehen können, nicht einfach als HD-Video verlustfrei in unserem Kopf aufnehmen, ist nicht die einzige Möglichkeit, wie hier starke Abweichungen von der Wirklichkeit auftreten können. Wir speichern nämlich nur abstrakte Informationen über eine Begebenheit und jedes mal wenn wir uns erinnern wird daraus aktiv etwas rekonstruiert. Lücken werden unbemerkt einfach aufgefüllt, ähnlich wie beim blinden Fleck und der oben gezeigten naked woman illusion; und das noch nichtmal jedes mal zuverlässig gleich! Unsere Erinnerungen unterliegen nicht nur Stimmungsschwankungen sondern auch langfristigen Veränderungen, die manchmal sogar aktiv von anderen hervorgerufen werden können.
In einem für meinen Geschmack besonders witzigen Experiment diesbezüglich wurde Leuten, die in Disneyland waren, eingeredet, sie hätten dort Bugs Bunny getroffen. Danach hatten sie lebhafte Erinnerungen an diese Szene, die sie auch erzählen konnten. Dass das ganze gar nicht passiert sein konnte, weil Bugs Bunny eine Figur von Warner Bros. ist, und deshalb ganz sicher nicht in Disneyland anzutreffen ist, spielte dabei keine Rolle. 😉
Aber auch ohne dass uns jemand aktiv etwas einredet, können unserer Erinnerungen schlichtweg verkehrt sein; selbst bezogen auf Umstände von wichtigen Ereignissen, von denen wir überzeugt sind, dass wir uns da sicherlich korrekt dran erinnern. Um diese Aussage zu bestätigen, hat man Leute direkt nach den 9/11-Vorfällen gefragt, wo sie waren als sie davon erfahren haben. Als man den selben Leute nur ein Jahr später die gleiche Frage erneut gestellt hat, war die Geschichte von über einem Drittel der Befragten nicht mehr konsistent mit ihrer ursprünglichen.
Solche Fakten lassen natürlich auch die Aussagen von Augenzeugen in einem anderen Licht erscheinen; sei es bei „Ufosichtungen“ oder ganz normal vor Gericht. Wir alle können trotz fester Überzeugung einfach dramatisch falsch liegen.
Wenn du also beim nächten Familientreffen mit deinen Cousins streitest, wer von euch früher bei den Bundesjugendspielen damals am weitesten geworfen hat, und ihr euch fast gegenseitig an die Gugel geht, weil die anderen ja alle totalen Bullshit erzählen, denk vielleicht mal zwischendurch an diesen Artikel und daran, dass du es möglicherweise einfach selbst nicht mehr wirklich weißt. 😉