Simpel ist nicht einfach

Manchmal benutzen wir im Deutschen die Wörter „einfach“ und „simpel“ im Alltag als wären sie austauschbar. Ich denke aber, es liegt Wert darin, einen Unterschied zwischen Ihnen zu machen.

Das Gegenteil von „einfach“ könnte „schwierig“ sein. Das Gegenteil von „simpel“ hingegen „komplex“.

Das bedeutet dann unter anderem:

  • Wenn man etwas ohne Probleme verstehen kann, ist es simpel.
  • Wenn man etwas ohne Probleme durchführen kann, ist es einfach.

Ein Beispiel für etwas, dass simpel aber eventuell nicht einfach ist, wäre folgender Ernährungs-Imperativ:
„Iss weniger Zucker und mehr Gemüse.“

Eine Fragestellung oder ein Problem einfach zu lösen, ist oft nur kurzfristig sinnvoll. Langfristig kann einen die erhöhte Komplexität übelst einholen. Besonders Software-Entwickler, die code, den sie vor Jahren geschrieben haben, später nochmal verstehen und anpassen müssen, können folgendes Zitat sehr gut nachvollziehen:

It seems that perfection is attained not when there is nothing more to add, but when there is nothing more to remove.

– Antoine de Saint Exupéry

Aber auch in anderen Bereichen ist das Erlangen von Simplizität oft ein sinnvolles Ziel, z.B. bei der

  • Lösung eines sozialen Problems
  • Erzählung einer Geschichte
  • Beschreibung eines Vorgangs

I would have written a shorter letter, but I did not have the time.

– Blaise Pascal

Komplexität zu reduzieren ist allerdings oft alles andere als einfach. Aber ein wertvolles Werkzeug dafür ist das Schaffen von guten Abstraktionen, die man dann als Vokabular verwenden kann.

Nehmen wir als Beispiel die Beschreibung von Tätigkeiten für einen humanoiden Roboter. (Gleiches würde analog aber auch für Basketball-Spielzüge oder Kochrezepte gelten.)

Wir wollen unserem Roboter beibringen, Wasser zu holen. Dieser Vorgang könnte aus folgenden Schritten bestehen:

  1. Gefäß nehmen.
  2. In die Küche gehen.
  3. Gefäß am Wasserhahn füllen.
  4. Zurück gehen.

Das ist simpel. Aber nur weil beispielsweise das Gehen selbst nicht erklärt wird. Das hat auf dieser Abstraktionsebene nämlich nicht zu suchen.
Wenn man allerdings dann auf der nächst tieferen Ebene das Gehen beschreibt, kommt dort natürlich vor, dass ein Fuß vor den anderen gesetzt wird etc. Aber dass dafür wiederum z.B. die Beugung des Kniegelenks nach 200 ms von 20° auf 5° geändert werden muss, gehört in eine wieder tiefere Ebene (Beschreibung von „Fuß nach vorne setzen.“). So kann man auch für komplexe Dinge simple Beschreibungen finden.

Ein genereller Tipp um Simplizität zu erreichen: Wenn es geht, fang auf hoher Abstraktionsebene an zu denken, und füll die Details später (https://de.wikipedia.org/wiki/Breitensuche). „Unten“ anfangen ist eher hilfreich für kurzfristige Experimente, zum Abklopfen der Möglichkeiten, und um gute Abstraktionen zu finden, die nicht undicht sind. „Undicht“ nennt man solche, mit denen man nicht arbeiten kann ohne die Details ihrer Implementierung zu kennen. Und dann steigt die Komplexität wieder, sodass der Wald von all den Bäumen verdeckt wird.

Wer es nun schafft, sich vorzustellen, wie Simplizität auch in weniger technischen Bereichen wie beispielsweise Wohnungseinrichtung, zwischenmenschlicher Kommunikation oder Lebensführung aussehen kann, bekommt 1000 Gummipunkte. 😉

Wissen kann komplex sein. Weisheiten sollten simpel sein.