Nonzens

In diesem Artikel findest du eine Liste von Grundsätzen, über die ich denke, dass es sich lohnen kann zu versuchen, nach ihnen zu leben. Ich zumindest versuche es, von Zeit zu Zeit. 😉

Anschließend wird noch erläutert, inwiefern man eins auf dem anderen aufbauen lassen kann.

Natur

Alles ist Produkt von Zufall und/oder Vorherbestimmtheit. Sinn ist nicht inhärent, sondern persönlich oder sozial konstruiert. Außerdem können wir uns von Märchen wie „freiem Willen“ verabschieden, und die Eleganz würdigen, mit der komplexes Verhalten emergent aus der Interaktion von elementaren Prozessen in Kohlenwasserstoff-Säcken wie uns und anderen Tieren entsteht.

Wasser

Dinge passieren, auch oft ohne dass jemand „schuld“ daran ist. „Sei Wasser, mein Freund.“ Passe dich Veränderungen an. Wenn du an eine Weggabelung kommst, nimm sie. Stemme dich nicht gegen das Unausweichliche.

Schmerz

Schmerz ist unausweichlich, Leiden ist optional. Du wirst nicht für deinen Ärger bestraft, dein Ärger bestraft dich. Versuche aktiv auch in Krisen Chancen auf etwas Positives zu finden. Behalte im Hinterkopf, dass deine Probleme vermutlich nichts außergewöhnliches sind, und dir keine Sonderbehandlung zusteht.

Vergänglichkeit

Alles ist vergänglich. Denke immer daran.

Akzeptanz

Da nichts perfekt ist, ist alles perfekt. Akzeptiere Dinge, wie sie sind, und mach das beste aus ihnen.

Einsheit

Es gibt kein „ich gegen dich“, „du gegen mich“. Nicht nur im biologisch-materialistisch Sinn sind wir eins, wir sitzen auch alle im gleichen Boot, was das Bessermachen unserer Welt angeht. Versuche, dein „Ich“ aufzulösen.

Liebe

Üb dich in Geduld mit anderen Menschen, und Freundlichkeit entsteht von alleine. Habe keine Vorurteile, vergib Fehler, sei interessiert, hör zu, spreche ehrliches Lob aus, und behandele dich selbst genauso gut. Helfen ist kein Nullsummenspiel, manchmal gewinnen beide, z. B. durch das damit verbundene Lernen. Jede Beurteilung von Verhalten ist subjektiv und stimmungsabhängig. Negativ wirkendes Verhalten ist nur sehr selten persönlich gemeint. Meistens ist es situationsspezifisch und flüchtig. Verhält sich jemand dir gebenüber falsch, geh erstmal nicht von Bösartigkeit aus, sondern einfach von Unwissenheit.

Loslassen

Lass los. Alte Dinge, Pläne, Überzeugungen, Gewohnheiten, Peinlichkeiten, Aktivitäten und Bekanntschaften. Nutz dein Hirn fürs eigentliche Problemlösen. Finde Denkschleifen und löse sie auf. Strukturiere dein Denken und externalisiere es mit Mind-Maps oder in Form von Prosa, z. B. in einem Tagebuch, was auch immer dein Style ist. Nutze Tools, die dir helfen, sinnlose Beschäftigungen oder belastendes Dinge-im-Kopf-Behalten zu vermeiden, beispielsweise Kanban, Kalender-Apps, Automatisierung, usw. Befreie dein Leben von den nichtessentiellen Dingen wie Nachrichten, Instagram, gewissen Leuten oder Fernsehen, falls sie dir keine Freude bringen. Wirf unwissenschaftliche Ansichten genauso ab. Es ist OK, ein „Ja.“ oder ein „Nein.“ durch ein „Ich hab keine Ahnung.“ zu ersetzen. Letztendlich vergiss sogar dieses hier erleuterte Rahmenkonzept wieder. „Perfektion entsteht nicht dann, wenn man nichts mehr hinzuzufügen hat, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann.“

Anfängergeist

Fehlschläge sind durchaus eine Option, weil man aus ihnen lernt. Verlasse deine Komfortzone. Es ist OK wenn du in einem neuen Bereich/Thema dumm aussiehst und dich auch so fühlst. Fang einfach mal an. Inspiration oder sogar Motivation sind nicht nur Ursache sondern auch Folge von Aktion. Lass dir Zeit, die Dinge wirklich zu verstehen. Nicht nur das „Was?“ sondern auch das „Warum?“. Wenn du denkst, du hast etwas nicht-triviales kapiert, versuch mal, es jemand anderem zu erklären, z. B. durch das Schreiben eines Blogs. So kannst du Verständnislücken bei dir selbst entdecken.

Achtsamkeit

Sei Achtsam, lebe in der Gegenwart, konzentriere dich nur auf eine Sache gleichzeitig. Genieße, was du tust, indem du voll darin eintauchst. Versuche mal, zu beobachten ohne zu bewerten: Die Geräusche um dich herum, wie sich dein Körper anfühlt wenn du läufst, oder sogar dein eigenes Denken.

Gewohnheiten

Mache simple (nicht unbedingt einfache) Dinge regelmäßig richtig. Wähle deine Gewohnheiten bewusst aus, sodass ohne Druck Erfolg aus ihnen folgen kann. „Wissen ist nicht genug – wir müssen Wissen anwenden können. Der Wille allein reicht nicht – wir müssen handeln.“ Egal, was es ist, jeden Tag ein paar Seiten in Fachbüchern lesen, gesund essen, trainieren, meditieren, Dinge zu Ende bringen, Orte/Situationen/Projekte in einem saubereren Zustand hinterlassen. Arbeite an welcher Fähigkeit auch immer, die dich dahin bringen kann, wo du hin möchtest, sei es bezogen auf deine Gesundheit, die Karriere, Beziehungen oder das allgemeine Glücklichsein.
Sobald du etwas zu einer Gewohnheit gemacht hast, kostet es nicht mehr so viel mentale Energie, es zu tun, weil du keine Entscheidung mehr treffen musst. Du machst es einfach regelmäßig, so wie du auch deine Zähne putzt. Wenn du eine deiner Regeln mal nicht wörtlich befolgt hast, mach dich nicht verrückt, sondern einfach weiter.

Zusammenhänge

Natur -> Wasser

Die Naturgesetze sind wie sie sind, und Dinge verändern sich.

Wasser -> Schmerz

Veränderung ist unparteiisch. Manchmal sind die Ergebnisse von chaotischem Verhalten positiv für dich, aber manchmal auch negativ; auch ganz ohne dass irgendwer „böses“ dahintersteckten muss.

Natur -> Einsheit

Abgeschlossene Identitäten sind imaginativ. Alle ist Teil des gleichen Prozesses.

Wasser -> Vergänglichkeit

Durch die ständigen Veränderungen ist nichts dauerhaft.

Loslassen -> Gewohnheiten

Wenn du dich von alten Gewohnheiten befreist, hast du mehr Platz für neue.

Loslassen -> Achtsamkeit

Wenn du Gedanken loslassen kannst, kann dein Bewusstsein mehr neue Eindrücke aufnehmen.

Loslassen -> Anfängergeist

Wirf altes Wissen über Bord, und lasse neue Erkenntnis zu.

Vergänglichkeit -> Loslassen

Alles wird eh irgendwann vergehen, also häng nicht zu sehr dran.

Vergänglichkeit -> Liebe

Niemand wird ewig da sein, also erfreue dich an der Zeit, die dir mit den Menschen, die du liebst, gegeben ist.

Einsheit -> Achtsamkeit

Wenn du dir bewusst wirst, wie alles miteinander verbunden ist, gehst du achtsamer durch die Welt.

Einsheit -> Liebe

Wenn wir schon im gleichen Boot sitzen, sollten wir es uns gegenseitig nicht auch noch schwer machen.

Gewohnheiten -> Achtsamkeit

Gewöhne dir an, achtsam zu sein, indem du es immer wieder bewusst versuchst.

Gewohnheit -> Liebe

Mache es dir ebenfalls zur Gewohnheit, erstmal zu versuchen, die positiven Seiten an jeder Person zu entdecken.

Akzeptanz -> Anfängergeist

Wenn wir akzeptieren, dass unser eigenes Wissen unvollkommen ist, fällt es uns leichter, uns weiterzuentwickeln.

Wasser -> Akzeptanz

Da sich alles verändert, ist auch nichts dauerhaft perfekt; außer Mathematik vielleicht. 😛

Simpel ist nicht einfach

Manchmal benutzen wir im Deutschen die Wörter „einfach“ und „simpel“ im Alltag als wären sie austauschbar. Ich denke aber, es liegt Wert darin, einen Unterschied zwischen Ihnen zu machen.

Das Gegenteil von „einfach“ könnte „schwierig“ sein. Das Gegenteil von „simpel“ hingegen „komplex“.

Das bedeutet dann unter anderem:

  • Wenn man etwas ohne Probleme verstehen kann, ist es simpel.
  • Wenn man etwas ohne Probleme durchführen kann, ist es einfach.

Ein Beispiel für etwas, dass simpel aber eventuell nicht einfach ist, wäre folgender Ernährungs-Imperativ:
„Iss weniger Zucker und mehr Gemüse.“

Eine Fragestellung oder ein Problem einfach zu lösen, ist oft nur kurzfristig sinnvoll. Langfristig kann einen die erhöhte Komplexität übelst einholen. Besonders Software-Entwickler, die code, den sie vor Jahren geschrieben haben, später nochmal verstehen und anpassen müssen, können folgendes Zitat sehr gut nachvollziehen:

It seems that perfection is attained not when there is nothing more to add, but when there is nothing more to remove.

– Antoine de Saint Exupéry

Aber auch in anderen Bereichen ist das Erlangen von Simplizität oft ein sinnvolles Ziel, z.B. bei der

  • Lösung eines sozialen Problems
  • Erzählung einer Geschichte
  • Beschreibung eines Vorgangs

I would have written a shorter letter, but I did not have the time.

– Blaise Pascal

Komplexität zu reduzieren ist allerdings oft alles andere als einfach. Aber ein wertvolles Werkzeug dafür ist das Schaffen von guten Abstraktionen, die man dann als Vokabular verwenden kann.

Nehmen wir als Beispiel die Beschreibung von Tätigkeiten für einen humanoiden Roboter. (Gleiches würde analog aber auch für Basketball-Spielzüge oder Kochrezepte gelten.)

Wir wollen unserem Roboter beibringen, Wasser zu holen. Dieser Vorgang könnte aus folgenden Schritten bestehen:

  1. Gefäß nehmen.
  2. In die Küche gehen.
  3. Gefäß am Wasserhahn füllen.
  4. Zurück gehen.

Das ist simpel. Aber nur weil beispielsweise das Gehen selbst nicht erklärt wird. Das hat auf dieser Abstraktionsebene nämlich nicht zu suchen.
Wenn man allerdings dann auf der nächst tieferen Ebene das Gehen beschreibt, kommt dort natürlich vor, dass ein Fuß vor den anderen gesetzt wird etc. Aber dass dafür wiederum z.B. die Beugung des Kniegelenks nach 200 ms von 20° auf 5° geändert werden muss, gehört in eine wieder tiefere Ebene (Beschreibung von „Fuß nach vorne setzen.“). So kann man auch für komplexe Dinge simple Beschreibungen finden.

Ein genereller Tipp um Simplizität zu erreichen: Wenn es geht, fang auf hoher Abstraktionsebene an zu denken, und füll die Details später (https://de.wikipedia.org/wiki/Breitensuche). „Unten“ anfangen ist eher hilfreich für kurzfristige Experimente, zum Abklopfen der Möglichkeiten, und um gute Abstraktionen zu finden, die nicht undicht sind. „Undicht“ nennt man solche, mit denen man nicht arbeiten kann ohne die Details ihrer Implementierung zu kennen. Und dann steigt die Komplexität wieder, sodass der Wald von all den Bäumen verdeckt wird.

Wer es nun schafft, sich vorzustellen, wie Simplizität auch in weniger technischen Bereichen wie beispielsweise Wohnungseinrichtung, zwischenmenschlicher Kommunikation oder Lebensführung aussehen kann, bekommt 1000 Gummipunkte. 😉

Wissen kann komplex sein. Weisheiten sollten simpel sein.

Kreativität

word_cloud_creativityWenn wir mit einer Aufgabe, einem Problem oder sonst irgendwas, das wir gerne schaffen / lösen wollen, konfrontiert sind gehören oft mehrere Schritte dazu. Zunächst benötigen wir eine Idee, ein grobes Konzept, also eine wage Vorstellung, was wir diesbezüglich überhaupt tun wollen. Dann folgt die Umsetzung. Der zweite Teil ist oft anstrengender und länger und erfordert Disziplin. Hierzu kennt man allerdings viele Techniken, um konsequent bis zum Ziel durchzuziehen. Dazu gehört die Organisation von Todo-Listen, Zeitmanagement, sich Meilensteine setzen, usw.

word_cloud_implementationDer erste Teil hingegen, eine Idee haben, wirkt gerne irgendwie magischer. Manchmal hat man den Eindruck, die Ideen segeln einfach so durch die Luft, man muss nur sein Schmetterlingsnetz hochhalten, und wenn man Glück hat fliegt eine Eingebung da rein. Aber bei manchen Menschen scheint das Netz besser zu funktionieren als bei anderen. Wie kommt man also auf eine gute Idee?

butterfly-netIch habe den Eindruck, dass Frustration oft der erste Schritt ist. Man hat intensiv eine Lösung gesucht, es ist einem aber nichts vernünftiges eingefallen. Dann gibt man fast auf und plötzlich ist sie da, und man weiß einfach, dass sie gut ist. Bei der Umsetzung kann sich zwar rausstellen, dass sie doch Unfug war, aber dann geht der Zyklus halt einfach wieder von vorne los. 😉

Manchmal sind künstliche Einschränkungen (die ja auch frustrieren können) sogar hilfreich, um eine kreative Lösungsidee zu finden. Wenn man sich beim Schreiben beispielsweise auf eine bestimmte Gedichtform mit Reimschema (Haiku anyone?) beschränkt, nutzt man Wortbedeutungen und Interpretationen, auf die man sonst vielleicht nie gekommen wäre. Programmierer aus der Demoscene, die sich auf eine sehr kleine Programmgröße oder auf den ersten Blick ungeeignete Hardware/Plattform beschränken, produzieren so teilweise sehr faszinierende Sachen.

elevatedOft sind „neue“ Ideen einfach nur ungewöhnliche Kombinationen aus bereits bekannten.

  • Rolle + Klebstoff -> Tesafilm
  • Putztuch + wegwerfen -> Swiffer
  • Puppe + erwachsen -> Barbie

Auf der Google-Suchalgorithmus ist ganz grob die Übertragung eines Verfahrens, dass man aus der Wissenschaft kennt, auf das Internet. Veröffentlichungen werden schon lange nach der Häufigkeit, mit der sie zitiert werden, bewertet. Nun macht man das gleiche mit Websites und der Häufigkeit von Links, die auf sie zeigen. Im Nachhinein wirken solche Ideen dann total offensichtlich, weswegen Patente auch ein schwieriges Thema sind.

Bei diesem Muster wird klar, dass es hilft, sich nicht nur mit seinem speziellen Fachgebiet zu beschäftigen (egal ob Architektur, Mathematik, Filmproduktion, Komponieren, Softwareentwicklung, Malerei, Blog-Artikel-Schreiben ;)), sondern auch immer mal wieder über total andere Dinge zu lesen oder sie auszuprobieren. Das darf ruhig auch oberflächlich sein, aber vielleicht nimmt man ja etwas mit, dass einem woanders dann hilft.

relaxationEntspannung ist ebenfalls hilfreich, um Ideen zu haben. Unter Stress ist man eher darauf bedacht, Fehler zu vermeiden, sich nicht ablenken zu lassen und sieht gerne vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Die neuen Einfälle kommen einem eher beim Duschen, Tagträumen, Aufwachen nachdem man schön lange geschlafen hat oder beim Spazierengehen, also gerade wenn man sich von allem möglichen ablenken lässt und die Gedanken einfach so umherstreunen. Damit man sich dann nicht damit belasten muss, sich die Idee auch zu merken sondern weiter rumspinnen kann, ist es hilfreich, etwas zu schreiben oder ein Diktiergerät dabei zu haben.

stand_up_meetingGelegentlich reicht es allerdings nicht, alleine nachzudenken. Wenn man mit Kollegen an einem Problem arbeitet, hilft es, die eigenen Ideen mit ihnen zu diskutieren. Im Zusammenspiel können sich dann Dinge ergeben, auf die keiner der Leute alleine gekommen wäre. Es kann auch sehr gut sein, einem Laien sein Problem zu erklären, und ihn nach Vorschlägen zu fragen. Ignorier dabei einfach, dass viele davon technisch nicht umsetzbar sind. Eventuell ist ja trotzdem ein nützlicher Anstoß dabei.

Kreativität scheint teilweise im Alter zwischen 20 und 30 Jahren seinen Höhepunkt zu erreichen, und ab dann nachzulassen. Das muss aber nicht der Fall sein, und der Trend geht immer mehr zum Durchbruch später im Leben. Den nötigen Bewusstseinszustand, sowie die nötige kindliche Verspieltheit, die dabei hilfreich ist, kann man kultivieren. Eine gewohnte Umgebung hilft dabei bereits gelerntes abzurufen, Abwechslung hingegen dabei neues zu entdecken. Wer es sich allerdings nicht leisten kann, ständig durch die Welt zu reisen, kann trotzdem aus seiner Komfortzone herauskommen und eine Gewohnheiten wechseln und seine Umgebung verändern. Räumt um, Esst anders, trainiert eine andere Sportart, lernt ein neues Musikinstrument oder eine sehr fremde Sprache, beschäftigt euch mit ungewöhnlichen Genres was Musik und Filme angeht. Und redet mit anderen Leuten oder mit altbekannten Leuten aber über Sachen, über die ihr sonst nicht mit ihnen redet. Abwechslungsreicher Input kann von vielen Seiten kommen, man muss nur Suchen, und die Dinge immer mal wieder mit den naiven Augen eines totalen Anfängers betrachten.  🙂

input

„Früher war alles besser.“

Du kennst doch sicher auch Leute, die gerne alle möglichen Dinge in einer Art kommentieren, bei der immer irgendwie ein „Früher war alles besser.“ mitschwingt. Obwohl „besser“ und „schlechter“ zwar Geschmackssache ist, sind die Geschmäcker bei einigen Themen diesgezüglich doch oft recht ähnlich. Anhand dieser will ich nun mal folgender Frage auf den Grund gehen: „War früher wirklich alles (oder zumindest vieles) besser?“

Sehen wir uns zunächst doch mal den Verlauf der Mordhäufigkeit über die Zeit an:

homicide_rate (Quelle: http://www.skepticink.com/backgroundprobability/2013/03/19/graph-of-the-week-2/)

Nun gut, dass sind jetzt Daten aus den USA, aber in Deutschland ist (zumindest in dem Zeitraum, über den ich etwas gefunden habe) auch keine Verschlechterung zu sehen, eher das Gegenteil ist der Fall:

Mordrate_DeutschlandNächtes Thema:

kindesmissbrauch_statistikMit genereller Kindersterblichkeit geht es ebenfalls bergab, also es wird weniger, also besser. 😉

kindersterblichkeit_statistik(Quelle: http://www.childstats.gov/americaschildren/phenviro6.asp)

Sterben denn wenigstens immer mehr Leute im Krieg? Nö, auch nicht.

the_waning_of_warSogar gaaaanz langfristig nicht:

violent_deaths_in_prehistoric_societiesNichtmal die Selbstmorde sind mehr geworden:

SuizidstatistikAber ganz sicher ist alles teurer geworden, sagen wir mal im Vergleich zu den Jugendzeiten unserer Großeltern. Neeee.

Lebenshaltungskosten(Quelle: http://www.reddit.com/r/mildlyinteresting/comments/1svtj2/1938_cost_of_living/ce1vd3n)

Essen ist eher billiger geworden. Bei Filmen, Miete und Benzin hat sich wenig getan. Von diesen Sachen hier sind also nur Häuser und Studieren wesentlich teurer geworden.

nette_erfindungenAbgesehen davon gibt es noch sehr viele neue Erfindungen und Einrichtungen, die unseren Alltag angenehmer machen, uns gesundheitlich versorgen, unser Leben generell sicherer machen, unsere Kommunikation vereinfachen und uns freien Zugang zu beliebigem Wissen verschaffen usw.. Klar, man findet sicherlich auch Dinge, die nicht besser geworden sind, aber darauf, dass das nicht so ist, will ich ja auch gar nicht hinaus. Laut diesen Daten sieht es zumindest nicht so aus als würde alles den Bach runter gehen. Doch wie kommt es nun dazu, dass einige von uns trotzdem den Eindruck haben, die Welt würde immer schlimmer? Hier kann ich natürlich nur spekulieren, aber ich kann mir vorstellen, dass die Art, wie Nachrichten in den Medien präsentiert werden, damit zu tun haben. Die Welt ist ziemlich groß, und irgendwo passiert jeden Tag irgendetwas sehr grausames. Wenn man nun jeden Abend in den Nachrichten mit solchen Bildern konfrontiert wird, kann man schonmal zu dem Fehlschluss kommen, dass das ganze irgendwie repräsentativ sei. Aber News, in denen hauptsächlich nette (und dementsprechend unspektakulärere) Dinge gezeigt werden, würden vermutlich nicht so viel geschaut werden.

Des Weiteren ist der Vorgang des Erinnerns alles andere als zuverlässig. Vielleicht hat man die schlechten Ereignisse von früher verdrängt oder die Erinnerung ist mit der Zeit in eine freundlichere Form mutiert; warum auch immer. Vielleicht verwechselt man auch die eigene körperliche Verfassung von früher mit der soziologischen Lage. Nur weil man vor 30 Jahren mal die ganze Nacht lang saufen und am nächsten Morgen trotzdem toll Basketball spielen konnte, was jetzt mit dicker Wampe und kaputtem Rücken nicht mehr funktioniert, bedeutet das nicht, dass damals Basketballplätze, Politiker und sowieso alles viel toller war. Die Welt zerfällt nicht, nur weil man selbst es tut. 😉

Rechts-Links-Unfug

Deutscher_Bundestag_Plenarsaal_SeitenansichtIn der Politik wird gerne zwischen links und rechts unterschieden, und manchmal sogar so getan, als wäre das politische Spektrum tatsächlich so eindimensional. Ganz links sitzen dann die Kommunisten rum und rechts die Nazis.
Diese Vorstellung ist aber nicht nur unpassend weil sie nicht alles abbildet (wir brauchen mehr Dimensionen), sondern auch weil links und rechts genaugenommen nicht unbedingt direkte Gegensätze sind.

Links will klassisch Ungleichheiten zwischen und Benachteiligung von Menschen vorallem finanziell abschaffen. Der Unterschied zwischen Arm und Reich soll möglichst klein werden. So gesehen ist das Gegenteil davon eher soetwas wie Wirtschaftsliberalismus, in dem sich nach Adam Smith der Staat nicht in den Markt einmischen soll. Da könnte sich eine sozioökonomische Elite bilden.

Rechts geht von angeblichen Ungleichheiten von Menschen auf ethnischer Ebene aus, möchte diese hegen und das Land dann von internationalen Beziehungen und Einwanderung abkapseln. Das Gegenteil hiervon ist eher ein internationalistischer Ansatz.

Dann gibt es noch Parteien, die eher progressiv, also fortschrittsorientiert sind, und welche, die eher konservativ orientiert wird.

Ebenso wie die verschiedenen Gewichtungen von Freiheit und Sicherheit kann man noch die Stärke der Beteiligung der Bevölkerung bei politischen Entscheidungen, bei der alles von Graswurzeldemokratie bis Diktatur möglich ist, als Dimension auflisten. Wenn man länger nachdenkt fallen einem bestimmt auch noch mehr ein. 😉

Wenn wir also gemerkt haben, dass wir es mit vielen (teilweise orthogonalen) Konzepten zu tun haben, wirkt die links-rechts-Vereinfachung schnell albern. 🙂

Glücklichsein und andere Lebenssinne

The_Answer_to_Life_the_Universe_and_EverythingLeben als solches (Stoffwechsel, Homöostase, Fortpflanzung usw.) hat an sich wohl eher keinen inhärenten Sinn, sondern läuft als emergenter Prozess einfach im Rahmen der Naturgesetze (physikalisch, chemisch, biologisch) ab. Sinn ist ja eh etwas, das erst wir denkenden Lebewesen in Handlungen und Existenzen hineininterpretieren. Auch wenn wir der Evolution gern ein Ziel wie die Hervorbringung immer „höherer/besserer“ (Obacht, hochgradig subjektiv) Lebensformen zusprechen möchten, passiert auch sie einfach so. Alles hat eine Ursache, aber diese muss kein Grund im teleologischen Sinn sein oder haben. Frösche sind beispielsweise nicht dafür da, um Spinnen zu fressen, damit wir Menschen nicht so sehr von ihnen belagert werden, es geschah einfach so, dass sie es tun. Den Sinn sprechen erst wir ihnen zu, da sie jemandem (in dem Fall uns) nutzen.

frog-wideDa wir aber manchmal darauf (be)stehen, dass auch wir nicht sinnlos sind, suchen wir uns manchmal (wenn auch unbewusst) einen Zweck (und andere Grundsätze, ethisch oder sonstwie) für uns aus. Die Angebote sind ja zahlreich. Ich vermische hier gleich sicherlich kurzfristiges Glücklichsein öfters mal mit langfristiger Erfüllung, da mir die Grenzen dazwischen fließend vorkommen, denn oft ist es ein Abwägen (oder eher Tauziehen?) ähnlich wie beim Marshmallow-Test.

Na gut, was sucht man sich denn nun zur Erfüllung so aus? Für verschiedene Leute sind es wahrscheinlich unterschiedliche (auch stark kulturell geprägte) Mischungen aus teilweise diesen (oft auch wieder überlappenden) Sachen:

surfing-teahupoo-tahiti

  • Hedonismus in vielen Formen, also Genuss von Sex, Essen, Unterhaltung, Berieselung, Nervenkitzel, Musik, mit Freunden abhängen usw.
  • Selbstverwirklichung, sei sie sportlicher, beruflicher, intellektueller, finanzieller oder sonstiger Art. Man kann einfach auf einen hohen sozialen Status hinarbeiten oder fleissig trainieren, um irgendwann so gut Surfen zu können, dass Teahupoo einen nicht zerlegen würde, oder um andere krasse Sachen drauf zu haben.
  • Spiritualität. Diese muss nicht religiös sein. Das naturalistische Verstehen der Welt könnte man in diese Kategorie einorden sowie Mitgefühl und Hilfe (bis hin zur Aufopferung) für andere (z.B. ihnen in Foren beim Erwerb der Grammatik zur Seite stehen ;-)) oder was auch immer.

Je nach Persönlichkeit sagen einem diesbezüglich dann wahrscheinlich auch andere Philosophen zu. Für den *S*J könnten gesellschaftliche Pflichterfüllung und Tugenden ähnlich wie bei Aristoteles und Konfizius passen. Als *S*P mag man eventuell Aristipp lieber, liest ihn aber nicht, weil man lieber Party machen geht, als *NF* sagt einem möglicherweise Budda mit seinem Altruismus eher zu und als *NT* gefällt Platon und seinen Wunsch, die Struktur der Welt zu verstehen, vielleicht besser.

Verschiedene_Arten_Glueck_zu_empfindenNaja, tun wir mal einfach so, als würde man gerne glücklich sein. Wenn man es nicht ist, stolpert man eventuell über irgendwelche beratenden Bücher, die (überspitzt gesagt) mit „Du musst einfach nur …“ anfangen und mit sowas wie „… jeden Tag leben als wäre es dein letzter.“ weitermachen. Mal abgesehen davon, dass mein Morgen vermutlich ziemlich übel wäre wenn ich mein Heute nach dieser Devise gestalten würde (Wingsuit Basejumping anyone? :)), kommt dazu, dass solche Tipps gerne von Leuten gegeben werden, die selbst eh einfach schon ziemliche Dauergrinser sind. Damit will ich nicht ausschliessen, dass es nicht auch tatsächlich hilfreiche Techniken geben kann, sondern nur darauf hinaus, dass Glücklichsein genau wie viele andere Charakterzüge auch, unter anderem eine genetische Komponente hat. (Man kann nicht einfach abhaken, welche Punkte/Ebenen der Bedürfnispyramide bei einem Menschen erfüllt sind, und dadurch wissen, wie glücklich er sich fühlt.)

HerzSelbst so ein netter Ratschlag wie „Entscheide dich so, dass du es im Alter rückblickend nicht bereuen wirst.“, der meistens darauf abzielt, Chancen nicht zu verpassen sondern zu ergreifen, hat Schwächen, denn selbst innerhalb von 10 Jahren kann sich unser persönliches Wertesystem stark verändern, sodass wir dann praktisch wieder ein anderer Mensch sind, auch wenn wir in fast jedem Alter gerne meinen, dass unser jetziger Charakter schon vollendet sei.

Deshalb trage ich jetzt einfach ein paar Dinge, die mir bei meiner Recherche so über den Weg gelaufen sind, zusammen.

BaumUnser erlebendes Selbst und unser erinnerendes Selbst müssen sich nicht immer einig sein. Man erinnert sich manchmal nur an den besten oder den schlimmsten Teil einer Erfahrung bzw. das Ende, nicht aber an die Gesamtheit (vgl. Peak–end rule und Duration neglect). Die erinnerte Vergangenheit ist also nicht unbedingt ein perfekter Indikator dafür, was man mögen wird. Ebenso kann einen die vorausschauende Überlegung, was nun glücklich machen würde, in die Irre führen. Man überschätzt systematisch die Freude, die man aus neuem materiellem Besitz ziehen wird im Vergleich zu anderen Optionen, die sich für den gleichen Preis bieten würden. Einfachere Dinge, die man dafür mehr bewusst erlebt (Theaterbesuche, Musikunterricht, Zeit zum Spazieren) sind auf Dauer oft größere Glücksspender als teure Autos, die man sich in die Garage des teuren Hauses oder in den Stau stellt. Andersherum ist es jedoch genauso. Wir überschätzen auch die dauerhaften negativen Folgen, die eine dramatische Änderung auf unseren Gemütszustand haben könnte. Überraschenderweise sind Lottogewinner oft nach einigen Jahren wieder ähnlich zufrieden/unzufrieden wie zuvor (auch wenn sie ihr Geld nicht verplempert haben), und auch Menschen, die eine Querschnittslähnung erlitten, scheinen sich daran zu gewöhnen. Es sieht also so aus, als würden wir weniger vom absoluten Zustand, sondern eher von seinen Änderungen (erste zeitliche Ableitung) abhängen.

Abgesehen von den offensichtlichen Schwierigkeiten Glück zu messen, scheint es zumindest hilfreich zu sein, wenn der sozioökonomischen Unterschiede im persönlichen Umfeld nicht allzu groß ist, man das Gefühl von Kontrolle über sein Leben hat und sich für irgendwas nützlich vorkommt.

Necker_cube.svgAnsonsten sind viele Erlebnisse auch einfach sehr mehrdeutig interpretierbar, und ähnlich wie beim Necker cube liegt es am Betrachter, ob er das ganze nun positiv oder negativ sieht. Wir sind gar nicht mal so schlecht darin, im Nachhinein Glück in Erlebnisse reinzusynthetisieren.

Mal abgesehen von alle dem (um den Bogen zum Anfang wieder zu schliessen), hat die Natur nicht vorgesehen (sowas kann sie ja grundsätzlich nicht), dass wir zwangsläufig glücklich sein müssen, sein werden oder werden können. Auch gibt es schwerwiegendere Selektionskriterien als dieses. (Allerdings kann man es üben). Also: YOLO! ^_^

Happiness_Flussdiagramm